Eine Ära geht zu Ende

  20.02.2024 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft

Warum Kleidungsstücke wegwerfen, wenn doch andere noch so froh darüber wären? Es ist eine Frage, die im Jahr 2024 genauso aktuell ist wie bereits im Mai 1982, wie ein Blick in die Ausgabe des «Burgdorfer Tagblatts» des besagten Monats offenbart. Diese Frage war denn auch die Motivation, mit welcher Madeleine Kohler-Rieben und Maria Feldmann damals die Kleiderbörse am City-Parkplatz an der Hunyadigasse in Burgdorf eröffneten. Der Kampf gegen den Wegwerftrend hat nichts an Bedeutung verloren. Nun schliesst die beliebte Kleiderbörse jedoch ihre Türen. Susanne Haller, welche die Kleiderbörse seit 20 Jahren führt, bezeichnet den Schliessungsentscheid als «passend, wenn auch mit einer grossen Portion Wehmut verbunden». Die gelernte Schneiderin war seit Kindesbeinen eng mit der Kleiderbörse verbunden, wuchs sie doch im Haus an der Hunyadigasse auf. «Meine Mutter baute die Kleiderbörse ja schliesslich mit auf. Seit 30 Jahren engagiere ich mich selbst», meint die 71-Jährige lächelnd. Nachdem nun zwei Mitarbeitende ausgestiegen seien, passe der Zeitpunkt, dem Kapitel Kleiderbörse ein Ende zu setzen.
«Dass ich die Kleiderbörse für eine so lange Zeit führen würde, hätte ich bei der Übernahme nicht gedacht», meint die Burgdorferin schmunzelnd. «Schon zu Beginn wie auch heute noch sind der Abriss der Liegenschaften und potenzielle Neubauten immer wieder ein Thema.»
Während rund 42 Jahren war in der Kleiderbörse ein umfassendes Angebot an unterschiedlichen Kleidungsstücken und Bijous zu finden. Dabei hatte die Qualität immer oberste Priorität: «Wir wollten unserer Kundschaft stets hochwertige Ware anbieten und den Qualitätsstandard hochhalten. Zudem waren bei uns alle willkommen, wir setzten nie eine Obergrenze an Kundinnen und Kunden, die ihre Kleider bei uns anbieten konnten», hält Susanne Haller fest. Dies habe zwar einen grossen Arbeitsaufwand mit sich gebracht, doch «das gesamte Team wie auch ich persönlich haben dies stets gerne getan. Es war immer eine tolle Tätigkeit und ging um mehr als nur die Kleiderannahme und den Verkauf», versichert Susanne Haller weiter. Der persönliche Austausch sei ihr stets wichtig gewesen. «Durch die Kleiderbörse konnte ich zahlreiche schöne Begegnungen erleben, aus welchen teils wertvolle Freundschaften entstanden sind.»

Diverse Entwicklungen
Susanne Haller hat im Laufe der Zeit mit der Kleiderbörse verschiedene Veränderungen miterlebt. So sei beispielsweise das Aufkommen von günstiger Billigware in der Kleiderbranche durchaus spürbar gewesen. Das Preisverständnis der Leute habe sich daraufhin verändert. «Ich kann mich auch noch gut erinnern, als Zalando aufkam.» Es habe durchaus Kundinnen und Kunden gegeben, welche die bestellten Kleidungsstücke des Onlinehändlers nach der Bestellung direkt in die Börse gebracht haben, weil sie die Rücksendung verschwitzt hätten, erzählt Susanne Haller mit einem Schmunzeln.
Der Nachfrage nach dem Angebot der Kleiderbörse taten die verschiedenen Veränderungen und Entwicklungen jedoch keinen Abbruch. Die Kundinnen und Kunden schätzten den persönlichen Austausch und die individuelle Beratung. Aus diesen Gründen erstaunt es nicht, dass
Susanne Haller nun kurz vor Schliessung bei ihrer Kundschaft die anfangs erwähnte Wehmut ebenso ausmachen kann. «Es reut die Kundschaft, dass wir schliessen. Gleichzeitig darf ich eine extreme Dankbarkeit und Wertschätzung für all die Jahre erfahren. Das ist eine tolle Bestätigung», freut sich Susanne Haller.
Bis diesen Samstag, 24. Februar 2024, profitieren Kundinnen und Kunden noch vom Ausverkauf der vorhandenen Kleider. Danach schliessen sich die Türen der Kleiderbörse. «Die schönen Erinnerungen und Begegnungen bleiben jedoch», so das treffende Fazit von Susanne Haller.

Joel Sollberger

 


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