Jahresrechnung 2022 und Verwaltungsraumplanung B.move an der Stadtratssitzung

  28.06.2023 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft, Politik

Christoph Muralt, Leiter Finanzdirektion, und Beatrice Kuster (EVP), Gemeinderätin, informierten an einer Medienkonferenz über die Jahresrechnung 2022 der Stadt Burgdorf.
Kuster zeigte sich erfreut, einen positiven Abschluss präsentieren zu können. Beim Vergleich mit dem Budget ergäben sich hingegen stets Ungenauigkeiten, verur­sacht durch unvorhersehbare Ereignisse. Wer hätte gedacht, dass eine Pandemie das Leben fast lahmlegen und ein Krieg in Europa unsere Stadt beeinflussen würde? Die vielen Flüchtlinge zeigten Auswirkungen auf die Finanzen. Zudem stiegen durch den Krieg die Energiepreise. Burgdorf sei dennoch eine Stadt, die vorankommen wolle, so Kuster. Interesse an der Stadt bekundeten auch Touristen/-innen, die von nah und fern die Zähringerstadt besuchen. Doch auch der Tourismus wecke Begehrlichkeiten, die sich in den Finanzen niederschlagen.
Kultur, Sport, Tiefbau, Strassen, Wasserschutz-Bestimmungen und weitere Verpflichtungen belasteten die Stadt­finanzen. Es seien vielfältige Herausforderungen, die eine Firma nicht kenne. Darum bestehe das Bestreben der Stadt nicht darin, Gewinne anzuhäufen. Wichtig sei, dass Projekte realisiert und finanziert werden könnten. Dabei erwähnte Kuster im Speziellen das Generationenprojekt «Schulraumplanung».
Die Jahresrechnung 2022 schloss im Gesamthaushalt mit einem Ertragsüberschuss von 6,7 Millionen Franken und im Allgemeinen Haushalt mit 7,1 Millionen Franken ab. Das sind 1,7 Millionen Franken mehr als budgetiert. Buchhalterisch sei das ein gutes Ergebnis, das den Schuldenabbau ermögliche. Der Cash in und Cash out seien jedoch nicht zufriedenstellend. Es gäbe wenig Möglichkeiten zur Verbesserung der eigenen Liquidität. Für grosse Projekte müsse die Stadt darum Geld aufnehmen.
Der Gewinn im Allgemeinen Haushalt von 7,1 Millionen Franken müsste von Gesetzes wegen nicht in die finanzpolitische Reserve eingelegt werden. Der Gemeinderat (GR) schlug eine andere Gewinnverteilung vor. Er berücksichtig-
te, dass der aus dem Finanzvermögen resultierende Gewinn dort verbleibt und der Restanteil dem Verwaltungsvermögen gutgeschrieben wird: Spezialfinanzierung Unterhalt Liegenschaften Finanzvermögen 1 Million Franken, Spezialfinanzierung Schulanlagen und Verwaltungsgebäude 4,8 Millionen Franken und Schwankungsreserven 1,3 Millionen Franken.

Positive und negative Einflüsse auf die Rechnung
Tiefere Personalkosten und tiefere Abschreibungen hatten einen positiven Einfluss auf die Rechnung. Marktwertanpassungen der Liegenschaften ergaben einen höheren Finanzertrag. Ein Minderaufwand beim ÖV und beim Lastenausgleich Sozialhilfe beeinflussten die Rechnung ebenfalls positiv. Dazu kam ein Mehrertrag bei der Gewinnsteuer.
Der Sach- und Betriebsaufwand stiegen, was vor allem den hohen Heizkosten geschuldet ist. Dazu verzeichnete die Stadt Mindereinnahmen der Einkommensteuer bei natürlichen Personen und bei Unternehmen und einen baulichen Mehraufwand bei Liegenschaften.
Die Stadt hatte 9,5 Millionen Franken für Investitionen budgetiert, die Netto­investitionen betrugen lediglich 2,6 Millionen Franken. Grund für ausgebliebene Investitionen seien besondere Abhängigkeiten und zu wenig eigene Ressourcen.
Darlehen von Banken, Versicherungen und Pensionskassen wurden von 95 auf 88 Millionen Franken reduziert, eine erfreuliche Entwicklung. Weniger erfreulich ist der Anstieg von kurzfristigen Darlehen von 8 auf 13 Millionen Franken, was Verbindlichkeiten im Wert von 101 Millionen Franken ergibt. In künftigen Budgets muss wohl mit mehr Fremdkapitalzinsen gerechnet werden.
Das Eigenkapital beträgt 98,4 Millionen Franken und ist somit um 0,1 Millionen Franken angestiegen.

Kommentare des Stadtrats (SR)
Sämtliche Redner/innen der Fraktionen dankten für die detaillierte Jahresrechnung. Andreas Stettler, FDP, zeigte sich wenig begeistert vom betrieblichen Ergebnis, das nach Meinung der FDP ausgeglichen sein sollte. Der Aufwand steige, der Ertrag sinke. Roger Aebi, Die Mitte, bedauert, dass die Rechnung nur aus buchhalterischen Gründen positiv ausfiel. Dazu gehören die Auflösung der Spezialreserven, die Neubewertung der Liegenschaften und tiefere Investitionen. Das betriebliche Ergebnis blieb mit 5,8 Millionen Franken und das operative Ergebnis mit 474 000 Franken weiterhin negativ.
Mirjam Kalbermatten, SVP-EDU-Fraktion, kritisierte die Darstellung des Gesamtergebnisses und unterstützte damit die Voten von FDP und der Mitte. Zudem bat sie GR und SR um Zurückhaltung bei finanziellen Begehrlichkeiten. Ulrich von Känel, GLP, sieht die Jahresrechnung als Zwischenbilanz. Die Stadt sei auf dem richtigen Weg. Gabriela Bannwart, SP, bezeichnete 2022 als «kein fettes Jahr», doch die Finanzen seien solid und Verbesserung im Fünf-Jahreschritt ersichtlich. Auch Walter Bangerter, Grüne, und Esther Liechti-­Lanz, EVP, bedankten sich für die Jahresrechnung. Liechti-Lanz möchte, dass vermehrt investiert wird, vor allem in Projekte, von denen die junge Generation profitiert oder in Massnahmen gegen den Klimawandel.
Der Geschäftsbericht 2022 mit der Jahresrechnung 2022, die mit einem Aufwandüberschuss im Gesamthaushalt von 492 835.60 Franken abschloss, wurde genehmigt.

Projekt B.move – Verwaltungsraumplanung
Mit einer Zusammenlegung der gesamten Stadtverwaltung möchte die Stadt Burgdorf eine Effizienzsteigerung erreichen und eine moderne Verwaltung anbieten. Eine Planungsgruppe hat vier Szenarien ausgearbeitet und validiert. Das Projekt Lyssachstrasse hat dabei in allen Kriterien am besten abgeschlossen. «Es kostet auf alle Fälle», erklärte Stadtpräsident Stefan Berger, SP, denn die alten Verwaltungsgebäude seien sanierungsbedürftig und würden ebenfalls hohe Summen verschlingen. B.move sei ein Generationenprojekt (siehe Bericht in der D’REGION vom 13. Juni 2023).
Alle Fraktionen befürworteten das Projekt Lyssachstrasse. Franca Maurer, Grüne, äusserte den Wunsch, dass auch während der Phase 2 eine Begleitgruppe in den Prozess integriert werde. Für die SVP-EDU-Fraktion wünschte Barbara Lüthi-Kohler ebenfalls eine Begleitgruppe. Sie stellte verschiedene Detailfragen, die der Stadtpräsident zu ihrer Zufriedenheit beantwortete. Die Integration der Feuerwehr am selben Standort ist für Claudia Fankhauser, FDP, zwingend und für Roger Aebi, Die Mitte, ebenfalls erstrebenswert. Er erachtet eine langfris­tige Finanzplanung als wichtig. Mit der Schulraumplanung und B.move hätte die Stadt zwei Grossprojekte geplant, was zu Zielkonflikten führen könne, ergänzte Ulrich von Känel, GLP. Im Zweifelsfall müsse die Schule bevorzugt werden.
Der SR entschied sich einstimmig für das Projekt Lyssachstrasse. Nun werden in Phase 2 die notwendigen Grundlagen und Dokumente erarbeitet und ein Projektierungskredit beantragt, damit später ein Bauprojekt erarbeitet werden kann. Berger erklärte, für den Projektierungsbericht würden verschiedene Themen überprüft. Dazu gehören geforderte Massnahmen bei der Feuerwehr, allfällige planrechtliche Anpassungen, die Klärung der notwendigen Planungsverfahren mit dem AGR und die Organisation der Verwaltung.
Der 2019/2020 gesprochene Kredit für die Verwaltungsraumplanung B.move wurde um 48 710 Franken überschritten. Trotzdem wurde die Kreditabrechnung von 238 710 Franken einstimmig genehmigt.

Förderung der Wiederverwendung von Wertstoffen
Die Grüne Burgdorf, SP, EVP und GLP beauftragten den Gemeinderat der Stadt Burgdorf, im Rahmen der Verwaltungsraumplanung den Aspekt der Kreislaufwirtschaft und der Wiederverwendung von Wertstoffen in den neu aufzubauenden Strukturen gezielt zu berücksichtigen. Die Planung soll zudem Spielraum für zukünftige Optimierungen und/oder Reorganisationen offen lassen. Das Sammlungsspektrum der Wertstoffe sei zu erweitern und die Bevölkerung über die neue Ausrichtung zu informieren.
Der GR erklärte, dass bei der weiteren Planung von B.move die vom SR beauftragten Szenarien berücksichtigt würden. Man beantrage wenn nötig externe Ressourcen und sei bereits heute bemüht, die Bevölkerung für die Kreislaufwirtschaft zu sensibilisieren. Der Antrag wurde mit 24 Ja-, 3 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen angenommen.

PV-Anlagen (Photovoltaik) auf städtischer Infrastruktur
Um die Ziele der KlimaVision30 zu erreichen, soll der GR das Potenzial von Photovoltaik-Anlagen auf allen städtischen Liegenschaften überprüfen und umsetzen, so stand es im Auftrag der SP geschrieben. Ziel ist es, längerfristig den Strombedarf dieser Liegenschaften selbst zu decken. Die Stadt Burgdorf fördert die Photovoltaik bereits seit 1990. 1993 bewilligte der GR einen Antrag betreffend PV-Anlagen von Privaten auf Dächern von städtischen Liegenschaften. Zusammen mit Privatpersonen, EWG und ADEV (Energiegenossenschaft) entstanden grossflächige PV-Anlagen, die noch heute in Kraft sind. Die Gründung der Solarstadt Burgdorf AG 2014 ermöglichte den Bau weiterer Solaranlagen auf zahlreichen Dächern von Industriebetrieben.
Obwohl zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht feststeht, ob dafür externe Kosten entstehen, wurde der Antrag einstimmig angenommen. Nun wird eine Analyse erstellt, um das Potenzial an PV-Anlagen zu ermitteln, situativ in Zusammenarbeit mit der Solarstadt Burgdorf.  

Die Feier für 18-Jährige wird beibehalten
In einem überparteilichen Auftrag der FDP-, SP-, SVP-EDU-, EVP-, Mitte-, GLP-Fraktion wurde der GR beauftragt, die Feier der 18-Jährigen in der Stadt Burgdorf weiterhin zu organisieren. Die Fraktionen waren erstaunt über die Entscheidung des GR, diesen Anlass ersatzlos zu streichen, belastet er das Budget doch lediglich mit 5000 Franken. Jungbürger/innenfeiern haben eine lange Tradition und stellen einen wichtigen Schritt für die 18-Jährigen dar. Gleichzeitig soll der Anlass die Jugendlichen an die Politik heranführen, denn nun dürfen sie abstimmen oder sich zur Wahl stellen.
Die Argumente der Fraktionen befürwortet auch GR Christoph Grimm, GLP. Er hält dagegen, dass der Anlass nicht mehr zeitgemäss sei und immer wieder zu Diskussionen führe. Zudem nähmen nur noch ungefähr 20 Prozent der 18-Jährigen daran teil. Der GR möchte die 18-Jährigen in angemessenem Rahmen würdigen und den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden. Er behält sich jedoch vor, die Art und Form zu überdenken und die Feier anzupassen. Der Auftrag wurde mit 35 Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen.
 
Menstruationsprodukte in Toiletten von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden
Der GR ist grundsätzlich bereit, dass Anliegen der SP aufzunehmen, in Schulen und öffentlichen Gebäuden Menstruationsprodukte bereitzustellen. Die Finanzdirektion hat in den verschiedenen Gemeinden betreffend Umsetzung und Erfahrung mit der kostenlosen Abgabe von Tampons und Binden Rückmeldungen eingeholt. Ein Pilotprojekt in den Mädchen- und Frauentoiletten in der Schulanlage Gsteighof und im Verwaltungsgebäude Kirchbühl 17 sei positiv angelaufen und wird bis nach den Herbstferien weitergeführt.  Die Anschaffungskosten – Behälter und Entsorgungsbehälter für Tampons und Binden – wurden mit 68 000 Franken geschätzt, die jährlich wiederkehrenden Kosten auf rund 50 000 Franken. Carmen Baumeler, Die Mitte, meinte, ein Abfallbehälter pro Toilettenraum genüge und Tanja Blume, SP, kritisierte die hohen Kosten für die Anschaffungen. Vergleichswerte anderer Gemeinden seien deutlich tiefer. Warum man neue Abfalleimer kaufen müsse, fragte Damaris Hauser, GLP. Die Mädchen und Frauen brauchten die Eimer doch bereits heute.
Im leicht abgeänderten Auftrag steht, dass der GR den Testbetrieb bis nach den Herbstferien weiterführt und dann das weitere Vorgehen dem SR vorlegt. Er wurde mit 19 Ja-, 9 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen angenommen.

Überarbeitung der Schulraumplanung
Die Mitte-Fraktion hatte dieses Postulat lanciert, weil die Schulraumplanung dem Einwohnerzuwachs hinterherhinke. Bereits jetzt stosse der vorhandene Schulraum an seine Grenzen. Die Stadt müsse sich bereits jetzt Gedanken für Überbrückungslösungen in Form von Provisorien machen. Konkret wurde der Gemeinderat beauftragt, die Schulraumplanung zu überarbeiten und den Standort Schulhaus Lindenfeld zu priorisieren.
Der GR bedankte sich für die Unterstützung. Er erinnerte den SR daran, dass die Schulraumplanung 2019 abgeschlossen worden war. An der Schulraumplanungssitzung im September 2022 habe man sich für eine Aktualisierung entschieden. Das neue Hauptdokument der «Schulraumplanung 2023» ist ein Phasenplan, der auf einer Zeitschiene alle anstehenden Arbeiten bei allen Schulstandorten aufzeigt. Dieser Plan ist noch in Arbeit und wird im August 2023 dem SR an der jährlichen Informationsveranstaltung erläutert. Der Antrag, die Schulraumplanung zu überarbeiten, dabei aber keinen Standort zu priorisieren, wurde angenommen.
GR Theophil Bucher, Grüne, informierte den SR, dass das Schulhausprovisorium im Gsteighof rechtzeitig zum Schulanfang im August 2023 bereitstehen werde. Der finanzielle Rahmen konnte bei der Beschaffung eingehalten werden.

Interpellation SVP/EDU-Fraktion betreffend Kollegialitätsprinzip
Beim Kollegialitätsprinzip, wie es der Bundesrat kennt, wird die Meinung der Mehrheit einer Gruppe gegen aussen vertreten. In der Gemeindegesetzgebung des Kantons findet sich keine Verankerung des Kollegialitätsprinzips. Der GR Burgdorf hat eigene Richtlinien erstellt. Ein Mitglied, das eine von der Ratsmehrheit abweichende Auffassung in der Öffentlichkeit oder im SR vertreten will, muss dies vorgängig zu Protokoll geben.
Der Gemeinderat wird dazu zitiert: Der GR ist sich der Verantwortung und den Auswirkungen, welche eine Aufweichung des Kollegialitätsprinzips in der Zusammenarbeit mit seinen Partnern haben kann, bewusst. In diesem Sinne ist die «Befreiung» ein seltener Ausnahmefall. Die Äusserung ausserhalb des Kollegialitätsprinzips muss als Privatperson und nicht als gewähltes Mitglied des Gemeinderates erfolgen, damit die persönliche, abweichende Haltung gegenüber dem Beschluss der Exekutive klar ersichtlich ist. Ganz generell gilt es dabei, stets die Balance zu finden zwischen Kollegialitätsprinzip und der Freiheit, die eigene Meinung zu äussern.
Grund für diese Interpellation war, dass sich GR Theophil Bucher zur Abstimmung «Emmentalwärts» vom Kollegialitätsprinzip befreien liess und seine persönliche Meinung äusserte.
Die nächste Stadtratssitzung findet am 18. September 2023 statt.

Helen Käser


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