22. Generalversammlung der Localnet AG

  21.06.2023 Aktuell, Wirtschaft, Burgdorf

Localnet-Verwaltungsratspräsident Dr. Urs Schweizer spricht Klartext: «Nach Covid ist die Welt im Jahr 2022 ziemlich aus den Fugen geraten. Der Krieg in der Ukraine, massive Verwerfungen an den Energiemärkten und anderes haben uns monatelang beschäftigt und tun es noch immer.»

Versorgungssicherheit im Fokus
In diesem unsicheren Umfeld beziehungsweise durch die auftretenden Krisen habe die Versorgungssicherheit massiv an Bedeutung gewonnen, wobei es Letztere sogar geschafft habe, zumindest vorübergehend, ökologische Themen in den Hintergrund zu drängen. «Die Krise ist eine Bewährungsprobe und ein Test, ob unsere Versorgung mit Gas und Strom sicher ist – oder nicht.» Rückblickend hält Schweizer fest, «dass wir bezüglich des milden Winters einfach Glück hatten. Ob das für den nächsten Winter auch gilt, ist fraglich.»
Was hingegen sicher ist: «Die Krise hat in unserer Versorgung gravierende Schwächen und Mängel offengelegt. Erstens gibt es in der Schweiz deutlich zu wenig Speicherkapazität für Erdgas. Daher hat der Bundesrat die Gasversorger – zu denen auch die Localnet AG gehört – gezwungen, in Frankreich Gasspeicher zu mieten und diese auf eigene Kosten zu befüllen.» Was wiederum bedeutet, dass die Gasversorger in der Schweiz jetzt Gaslager analog den Treibstoff-Tanklager bauen müssen, um die Auslandsabhängigkeit zu reduzieren.

Stromimporte nicht mehr garantiert
Schweizer erklärt: «Die Folge dieser bundesrätlichen Verordnung war, dass durch diese Massnahme in Spitzenzeiten rund sechs Millionen Franken liquide Mittel gebunden waren. Gestützt auf Notverordnungen hat der Bundesrat diese Weisung erlassen, die Finanzierung allerdings den Versorgern überlassen. Deshalb muss die Localnet AG zusätzliche Reserven anlegen.»
Auch die Versorgung mit elektrischer Energie könne nicht als sichergestellt beurteilt werden: «Deshalb lässt der Bundesrat im Birrfeld für Hunderte von Millionen Franken Notkraftwerke aufstellen, die mit Öl oder Gas betrieben werden – trotz entsprechender Konflikte mit den Klimazielen. Zudem gehen Experten davon aus, dass der Import von Strom künftig nicht mehr sichergestellt ist. Es besteht kein Strom­abkommen mit der EU und im Krisenfall schaut jeder zuerst für sich selber.»
Laut Urs Schweizer hat die Krise gezeigt, dass die Schweizer Systeme anfällig sind: «Wir alle sind überrascht worden von den extremen Preisschwankungen an den Märkten.»

Neue Eigentümerstrategie
Die per 1. Januar 2023 verabschiedete Eigentümerstrategie gibt klare Leitlinien beziehungsweise Vorgaben. Unter anderem soll die Localnet AG einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Energie- und Klimaziele der Stadt Burgdorf leisten und erneuerbare Energieformen fördern.
Schweizer kommt auf die vor mehr als 15 Jahren von der Localnet AG «multivisionär» begonnenen Wärmeverbünde zu sprechen. Diese sind geeignet, um in verdichteten Gebieten bestehende Strom-, Öl- und Gasheizungen sukzessive zu ersetzen. Er betont: «Wärme ist unser primärer Wachstumsbereich. Dort investieren wir praktisch jeden freien Franken.» Um die nötigen Mittel sicherzustellen und den finanziellen Spielraum zu erhalten, plädiert er für eine Diskussion über die Substanzdividende. Gemessen am anhaltenden Applaus hat Schweizer den Anwesenden aus dem Herzen gesprochen.

Eine Krise jagt die andere
Urs Gnehm, CEO der Localnet AG, spricht in seinem Rückblick vom «schwierigsten Jahr in der 22-jährigen Firmengeschichte. Die Folgen von Covid neigen sich ihrem Ende zu, am 17. Februar 2022 entfällt die Maskenpflicht. Per 1. April hebt der Bundesrat sämtliche Covid-Schutzmassnahmen wieder auf. Ende Februar 2022 beginnt der Krieg in der Ukraine.» Gnehm erläutert, wie mit dem Einmarsch von Russland in die Ukraine das gesamte europäische Energiesystem, das in Jahrzehnten aufgebaut worden ist, auf eine Bewährungsprobe gestellt wurde. Seiner Meinung nach muss der Umgang mit Risiken neu definiert werden.
Er nennt als Gründe für den Erfolg der Localnet AG zwei entscheidende Punkte: der Zweck und die Menschen. Die Localnet AG stehe im Dienst der Allgemeinheit und habe primär die dauernde, sichere, ausreichende, umweltgerechte und wirtschaftliche Versorgung mit Energie, Wasser und Kommunikation sicherzustellen.

Nicht profitiert
Gnehm erläutert die im Jahr 2022 getätigten Investitionen und dankt allen Mitarbeitenden für ihren grossen Einsatz unter den erschwerten Bedingungen. «Doppelt so hohe Gaspreise und massiv gestiegene Strompreise sind nicht lustig.» Er betont ausdrücklich, dass die «Localnet AG von den hohen Preisen nicht profitiert hat. Im Gegenteil. Das Jahresergebnis ist rund eine Million Franken tiefer als im Jahr 2021.» Trotzdem seien fast zwei Drittel der Bruttoinvestitionen in die Fernwärme geflossen, was den ökologischen Umbau voranbringt. Gnehm dankt allen für die gute Zusammenarbeit und teilt mit, dass sein Nachfolger per 1. Januar 2024 sein Amt antritt.
Die Stadt Burgdorf als Alleinaktionärin der Localnet AG wählt Theophil Bucher (Gemeinderat von Burgdorf und Geschäftsführer der Stiftung intact) sowie Bruno Jordi (Langenthal, hauptberuflich bei IWB Basel tätig und verantwortlich für den schweizweiten Ausbau von Wärmeverbünden) neu in den Verwaltungsrat.
Da ein Teil des Bilanzgewinns von 4,713 Millionen Franken steuerbefreit verteilt werden kann, informiert Gnehm unter anderem wie folgt: «Das konsolidierte Jahresergebnis beträgt 3,591 Millionen Franken und ist tiefer als in den Vorjahren. Trotz des leicht tieferen Ergebnisses kann die Localnet AG der Stadt Burgdorf, die 100 Prozent der Localnet-Aktien besitzt, eine Dividende von 900 000 Franken auszahlen. Zusammen mit der Konzessionsabgabe und weiteren Leistungen ergeben sich für die Stadt jährliche Einnahmen von rund 3,5 Millionen Franken.»

Gerti Binz

Pascal Kirchhofer wird neuer CEO der Localnet AG
Anlässlich der VR-Sitzung vom 15. Juni 2023 hat der Verwaltungsrat der Localnet AG Pascal Kirchhofer einstimmig zum neuen CEO gewählt. Er tritt damit die Nachfolge von Urs Gnehm an, der im Frühling 2024 mit 61 Jahren den vorzeitigen Ruhestand antritt.
Pascal Kirchhofer wohnt in Bellach und ist aktuell bei der CKW AG als Leiter Energiemanagement und Mitglied des Führungskaders angestellt. Nebst einem Abschluss als Systemtechnik-Ingenieur FH verfügt er über einen EMBA der Hochschule für Wirtschaft in Bern (PHW) und verschiedene weitere Management-Weiterbildungen der Universität St. Gallen. Der 40-Jährige wird seine Stelle Anfang Januar 2024 antreten und nach einer kurzen Einführungszeit die operative Gesamt­verantwortung für die Localnet AG übernehmen.

zvg

 


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