Der «höchste Berner» kommt aus Burgdorf

  31.05.2023 Burgdorf, Foto, Gesellschaft, Politik

Welchen politischen Weg Francesco M. Rappa im Jahr 1987 mit dem Eintritt in die damalige einzige Jungpartei der Stadt Burgdorf einschlägt, war ihm damals noch nicht bewusst. «Damals trat ich der Partei mehr wegen meiner Freunde bei und weniger aufgrund meines Interesses für die Politik», erinnert sich der künftige Berner Grossratspräsident schmunzelnd. Knapp 36 Jahre später und reich an politischer Erfahrung wird er ab 5. Juni 2023 das Amt des «höchsten Berners» innehaben. «Die Wahl zum Grossratspräsidenten ist ein sehr ehrenvolles Gefühl und erfüllt mich mit Freude und Stolz.» Er versichert, das Amt mit dem nötigen Respekt und der erforderlichen Demut anzugehen.

Ein politischer Werdegang erfordert Ausdauer
So richtig eingestiegen in die Politik ist Francesco M. Rappa im Jahr 2000. In diesem Jahr kehrte er nach neun Jahren in seine Heimatstadt Burgdorf zurück und musste feststellen, dass die Zähringerstadt in eine gewisse Lethargie und Ratlosigkeit gefallen war – «es lief in der Stadt im Vergleich zu vorher nicht mehr so viel», so der Die-Mitte-Politiker. Für den heutigen Inhaber des Burgdorfer Immobiliendienstleistungsunternehmens Lubana AG ist klar, dass er das ändern will. «Ich erkannte meine Heimatstadt nicht wieder und musste feststellen, dass meiner Meinung nach irgendetwas schief lief. In meinen Augen gab es daher zwei Optionen: Entweder über die vorherrschende Situation jammern oder etwas verändern. Ich entschied mich ganz klar für Letzteres», erinnert sich Rappa.
Im Jahr 2008 rutschte er schliesslich in den Burgdorfer Stadtrat nach. Rund sechs Monate später stieg er für die Bürgerlichen in den Wahlkampf um die Nachfolge des abtretenden Stadtpräsidenten Franz Haldimann. Ein Start von null auf hundert. Im anschliessenden Wahlkampf um das Stadtpräsidium trat er gegen Elisabeth Zäch an. «Mir war ein sauberer und fairer Wahlkampf sehr wichtig, was letztlich auch gelang», erinnert er sich. Die Wahl ging schliesslich verloren, doch er habe in dieser kurzen Zeit sehr viel über die Politik, Wahlkämpfe und das Im-Fokus-Stehen gelernt. «Zudem machte Elisabeth Zäch danach einen hervorragenden Job und ich wusste von Beginn an, dass sowohl ihr wie auch mir das Wohl der Stadt Burgdorf am Herzen liegt.»
Francesco M. Rappa verlor durch diese Niederlage die Lust an der Politik nicht – im Gegenteil. Auch für die Wahl in den Gemeinderat im Jahr 2016 benötigte er zwei Versuche. Es zeigt eine grosse Stärke von Rappa und seiner Meinung nach eine wichtige Anforderung an einen Politiker auf: Ausdauer. «Die politischen Mühlen mahlen langsam», weiss der Ur-Burgdorfer. Dies sei auch auf persönlicher Ebene stets zu berücksichtigen. «Ich wusste, dass irgendwann meine Zeit kommen würde. Ich glaube, ein Politiker braucht einen Antrieb und eine gewisse Ungeduld, dabei jedoch auch eine grosse Aus­dauer», so Rappa. Es sei nicht wie in der Privatwirtschaft, wo Entscheide und Prozesse im Vergleich zur Politik viel schneller umsetzbar sind und letztlich realisiert werden können. Der Fokus in der Politik sei langfristig zu setzen.
Die Ausdauer von Rappa auf seinem politischen Weg wurde belohnt. Im Jahr 2018 wurde er schliesslich in den Grossen Rat des Kantons Bern gewählt, drei Jahre später übernahm er das Amt des zweiten Vizegrossratspräsidenten, im Jahr 2022 dasjenige des ersten Vizegrossratspräsidenten. Der Weg zum «höchsten Berner» war somit geebnet.

«Verbinden» als Motto
Bis Ende Mai 2024 wird Francesco M. Rappa als Grossratspräsident, dem kantonalen Äquivalent zum Nationalratspräsidenten, amten. Als solcher gilt es, die Sessionen und das Tagesgeschäft des Grossen Rates zu führen. «Bei 160 Alphatieren ist es anspruchsvoll, die Geschäfte – im Durchschnitt gegen 100 Traktanden – straff und organisiert zu führen, was gerade bei Gesetzesberatungen und diversen Anträgen schwierig sein kann. Als Grossratspräsident muss man daher höchst konzentriert zur Sache gehen und das Geschehen im Griff haben», weiss Rappa. Sein neues Amt trete er mit dem Motto «Verbinden» an. Zum andern kommt dem Grossratspräsidenten des Kantons Bern eine repräsentative Rolle zu. Francesco Rappa ist Verteter des Emmentals, die Region liegt ihm am Herzen. Ein Beispiel dafür ist das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (ESAF) 2013, welches in Burgdorf stattfand und der Region ein bis heute unvergessliches Volksfest bescherte. Als Präsident des Kandidaturkomitees holte Rappa dieses mit seinem Team damals nach Burgdorf. Auch in seinem neuen Amt will er die Anliegen und das Emmental an sich repräsentieren. «Das Emmental ist zwar traditionsbewusst, aber dennoch stets offen für Neues und für Veränderungen. Das ESAF 2013 ist das perfekte Beispiel dafür. Zudem gilt, das, was einmal abgemacht ist, im Emmental eine langfristige Gültigkeit hat und ‹verhäbt›. Diese Eigenschaften will ich in meinem Amt nicht nur repräsentieren, sondern auch einbringen.»

Vielseitig engagiert
Die Engagements von Francesco Rappa sind vielseitig. Nebst seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und Delegierter des Verwaltungsrates präsidiert er unterschiedlichste Vereine – per 6. Juni 2023 übernimmt er neu auch die Leitung des Hauseigentümerverbandes des Kantons Bern mit rund 50 000 Mitgliedern – und hat verschiedene Verwaltungsratsmandate wie bei der Localnet AG oder der KEBAG AG, um nur einige zu nennen. Beruf, Politik und Privates immer unter einen Hut zu bringen ist da bestimmt nicht immer einfach? «Es erfordert ein gewisses Organisationstalent. Ohne ein gutes Team, sei es im Geschäftlichen mit meinen ausgezeichneten Mitarbeitenden oder im Politischen mit dem Generalsekretariat des Grossen Rates, wäre das alles nicht zu stemmen. Zum Glück verfüge ich über ein solches», sagt er. Rappa, der im Militär den Grad eines Obersten hat, kann zudem auf viel Gelerntes aus seiner militärischen Ausbildung zurückgreifen. «Ich erlernte vor allem dort punkto Organisation und Führung vieles, das ich bis heute verwenden kann.»
Zu den bisherigen Tätigkeiten und Engagements kommt dieses Jahr die Kandidatur für die Nationalratswahlen für im Herbst hinzu. Dies sei eine spezielle Ausgangslage, denn der Fokus liege auf dem Amt des Grossratspräsidenten.
Den perfekten Ausgleich findet der verheiratete Vater eines Sohnes in seiner Freizeit, welche er am liebsten mit seiner Familie im eigenen Garten verbringt. «Die Zeit geniesse ich jeweils sehr bewusst und in vollen Zügen.» Bleibt Zeit übrig, schaltet er beim Gang in die Sauna oder beim Golf spielen in Oberburg ab.

Feierlichkeiten geplant
Auch die Stadt Burgdorf möchte das neue Amt von Francesco Rappa entsprechend würdigen und feiern. Am Donnerstag, 8. Juni 2023, ist ab 16.00 Uhr ein Umzug in der Altstadt geplant. Es folgen diverse Festreden und zahlreich geladene Gäste, um 22.00 Uhr gibt es ein Feuerwerk auf der Schützenmatte. Bei schlechtem Wetter informiert die Website www.burgdorf.ch über die Durchführung des Anlasses. Wie die Ernennung zum Grossratspräsidenten erfüllt auch diese Feier Francesco M. Rappa mit Freude, Stolz und Demut.

Joel Sollberger


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