Wie gestaltet sich unsere Mobilität in der Zukunft?

  28.02.2023 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft, Region, Politik

Im Spannungsfeld der bevorstehenden Abstimmungen zu den Verkehrssanierungsprojekten luden die Günen Emmental am vergangenen Freitag, 24. Februar 2023, zu einer Expertenrunde zum Thema «Mobilität der Zukunft» in die Aula Gsteighof.
Daniel Bachofner, Präsident der Grünen Emmental, verwies in seiner Einleitung darauf, dass die Standortunabhängigkeit immer störende Auswirkungen mit sich bringt. Und dennoch ist Mobilität seit Menschengedenken ein Grundbedürfnis. Heute «muss» man mobil sein; «immer auf Achse» sozusagen. Nicht zuletzt ist dies auch dem wirtschaftlichen Druck geschuldet.

Burgdorf will den Klimaschutz verstärken
Die Frage, was die Folgen der zunehmenden Mobilität konkret für die Stadt Burgdorf bedeuten, versuchte Theophil Bucher (Grüne), Gemeinderat in Burgdorf, zu beantworten. Für ihn ist klar, dass auch Burgdorf in Sachen Klimawandel gefordert ist. Denn bereits seit Langem ist nachgewiesen, dass der Mensch die treibende Kraft für die stetige Klimaerwärmung ist. Vor allem im Verkehrsbereich hat die Schweiz – trotz Corona – die Klimaziele immer noch nicht erreicht. In Burgdorf gilt die Klima Force zur KlimaVision30 deshalb als Basis für die Legislaturplanung. Zudem erarbeitet Burgdorf derzeit eine Klima- und Mobilitätsstrategie. Als Grundlage dient die «Publikation der Verkehrsperspektiven 2050» durch den Bundesrat von 2021.
Die beiden Gastreferenten Professor Dr. Ueli Haefeli (Interface Politikstudien Forschung Beratung AG und Privatdozent an der Uni Bern) und Dr. Jörg Beckmann (Direktor der Mobilitäts­akademie AG, Vizedirektor des TCS) richteten in ihren Vorträgen den Fokus bewusst darauf, wie sich unsere Mobilität in Zukunft gestalten wird.

Studie «Verkehr der Zukunft 2060»
Prof. Dr. Ueli Haefeli bezog sich in seinem Referat auf die Studie «Verkehr der Zukunft 2060», welche von Interface, der Universität Zürich und Ueli Weber im Jahr 2021 abgeschlossen wurde. Hier handelt es sich um einen ungewöhnlich langen Betrachtungshorizont. In Bezug auf die aktuellen Projekte im Raum Burgdorf zeigt die Studie auf, dass Infrastrukturprojekte weit im Voraus gedacht werden müssen, denn die demografische Alterung wird auch das Emmental prägen. Im Weiteren werden Schlüsselfaktoren zukünftig eine immer grössere Rolle spielen. Hierzu zählt beispielsweise die politische Steuerung von motorisiertem Individualverkehr und öffentlichem Verkehr mittels Massnahmen wie «Mobility Pricing». Auch die Qualität des öffentlichen Verkehrs wird ausschlaggebend sein: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Komfort, Sauberkeit etc. Zudem werden sogenannte Shared-Mobility-Angebote (Carsharing, Ridesharing) weiter zunehmen.
Eine zentrale Erkenntnis der Studie «Verkehr der Zukunft 2060» ist, dass ältere Menschen das Mobilitätssystem im Jahr 2060 stärker prägen werden als heute. Ältere Menschen werden einen grösseren Anteil an der Bevölkerung ausmachen und die Nachfrage nach sinnstiftenden Tätigkeiten für ältere Menschen wird steigen. Die Verkehrsspitzen werden bleiben, sich zeitlich jedoch stärker verbreitern.
Eine weitere Feststellung der Studie ist, dass der technologische Wandel viele altersspezifische Chancen bringen wird. Das automatisierte Fahren und der Ausbau der Mobilitätsdienstleis­tungen machen die Fortbewegung für ältere Menschen einfacher.
Auf die Verkehrspolitik und die Verkehrsplanung kommen grosse Herausforderungen zu. Es werden zwangsläufig faire Regeln zur Nutzung des öffentlichen Raums gefordert werden. Dies wird Unsicherheit, aber auch viele Chancen und gleichzeitig eine hohe Gestaltbarkeit mit sich bringen.

Mobilität trifft Digitalität
Dr. Jörg Beckmann stellte den Bezug zur digitalisierten Mobilität her. «Shared Mobility» (ein Fahrzeug oder eine Fahrt teilen) entspricht heute bereits einem Bedürfnis. Die Mobilitätsakademie des TCS bietet unter dem Namen «carvelo» ein E-Cargobike-Sharing an. Fast 35 000 Nutzende in über 100 Schweizer Städten und Gemeinden machen zurzeit von rund 400 elektrischen Lastenvelos Gebrauch. Darunter sind unter anderem auch Betriebe aus der Gastro- und Beherbergungsbranche, aus dem Detailhandel und soziale Einrichtungen.
Mit «smargo» wurde zudem unlängst ein Projekt realisiert, bei dem elektrische Kleintransporter gemietet werden können.
Im Städte-Ranking der Angebotsdichte von Shared Mobility behaupten sich auf den ersten zehn Plätzen sowohl Städte aus der deutschsprachigen als auch aus der lateinischen Schweiz. Während Basel und Zürich auf ihre breite Palette von geteilten Autos, Velos und E-Scooters verweisen können, verdankt Locarno sein gutes Resultat primär seinem dichten Bikesharing-Netz. Aber nicht nur die Agglomerationen verfügen über hohe Angebotsdichten von Sharing-Angeboten, auch mittelgrosse und kleine Städte befinden sich unter den Top Ten.
Für Jörg Beckmann ist klar, dass die Zukunft der Mobilität auch digital sein wird. Aber nicht nur. Deshalb braucht es sowohl den Ausbau physischer Infrastrukturen als auch die Entwicklung neuer digitaler Angebote. Ein Infrastrukturausbau dient nicht zuletzt dazu, dass wir auch in Zukunft sicher unterwegs sein können – egal mit welchem Fahrzeug. Eine Verkehrstrennung bedeutet zudem mehr Sicherheit für den Langsamverkehr.
Da immer mehr Menschen auf gleicher Fläche unterwegs sein werden, muss der öffentliche Raum neu gestaltet werden. Doch können wir uns das leisten? Und was heisst das für die Landwirtschaft?

Petra Schmid


www.gruene-emmental.ch


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