Was tun bei der Volkskrankheit Rheuma?

  28.02.2023 Aktuell, Foto, Gesellschaft

Am Donnerstag, 9. März 2023, 19.00 Uhr, findet im Kurslokal des Spitals Emmental in Burgdorf der dritte Publikumsvortrag dieses Jahres statt. Der Titel lautet: «Gsüchti und mehr – die vielen Facetten von Rheuma». Referent dieses öffentlichen Vortrags ist Prof. Dr. med. Daniel Aeberli, Leitender Arzt Rheumatologie. Danach besteht die Möglichkeit, dem Experten beim anschliessenden Apéro unter vier Augen Fragen zu stellen. Eine Anmeldung ist möglich, aber nicht obligatorisch. Diese kann unter der Telefonnummer 034 421 18 52 erfolgen. Dies mit Angabe der Anzahl der Teilnehmenden und mit dem Hinweis, dass der geplante Besuch dem Publikumsvortrag «Gsüchti» beziehungsweise «Rheuma» gilt. Interessierte können sich auch online einschreiben: www.spital-­emmental.ch/publikumsvortraege.

«D’REGION»: Rheuma gilt als Volkskrankheit Nummer eins in der Schweiz. Welche Krankheitsbilder werden unter Rheuma zusammengefasst?
Prof. Dr. Aeberli: Rheuma ist ein Sammelbegriff für 200 verschiedene Erkrankungen. Grob unterteilt man sie in zwei Gruppen, in entzündliche und nicht entzündliche Formen. Zum entzündlichen Rheuma zählen sämtliche Formen von Arthritis – Gelenkentzündungen unterschiedlicher Ursache, auch solche infolge bakterieller oder viraler Infektion –, alle Formen von Spondyloarthritis – entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule und der Gelenke wie Morbus Bechterew – sowie die Vaskulitiden – entzündliche Erkrankungen der Gefässe – und die Kollagenosen – Bindegewebserkrankungen – wie die Sklerodermie, das Sjögren-Syndrom und der systemische Lupus erythematodes. Eine Untergruppe im entzündlichen Bereich bilden die Kristallarthropathien wie die Gicht und die Pseudogicht. Unter nicht entzündliches Rheuma fallen die Arthrosen – degenerative Erkrankungen von Gelenken –, alle Formen von Weichteilrheuma, Osteoporose und andere Knochenerkrankungen sowie Schmerz­erkrankungen wie Fibromyalgie oder CRPS – Complex Regional Pain Syndrom.

«D’REGION»: Welche Gemeinsamkeiten haben rheumatische Krankheiten?
Prof. Dr. Aeberli: Alle rheumatischen Krankheiten betreffen das Binde- und Stützgewebe des Bewegungsapparates, also die Knochen, die Gelenke oder die Weichteile wie Muskeln, Sehnen, Schleimbeutel und so weiter. Praktisch alle Formen von Rheuma verursachen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.

«D’REGION»: Worin unterscheiden sich die Formen von Rheuma?
Prof. Dr. Aeberli: Die verschiedenen Formen von Rheuma unterscheiden sich in vielerlei Hinsichten: Ursachen, Auslöser, Risikofaktoren, Symptome, Begleiterkrankungen, Leidensdruck und Therapiemöglichkeiten.

«D’REGION»: Welche Personengruppen sind am häufigsten von Rheuma betroffen?
Prof. Dr. Aeberli: Grundsätzlich kann Rheuma jeden Menschen treffen. Bei genauerem Betrachten zeigen sich aber Unterschiede. Von entzündlichem Rheuma wie der rheumatoiden Arthritis, dem Sjögren-Syndrom, dem Lupus und so weiter sind überwiegend Frauen betroffen. Die Gicht und Morbus Bechterew gelten eher als Männerkrankheiten. Ab der Menopause holen jedoch die Frauen mit Gicht den statistischen Rückstand auf – und bei Morbus Bechterew lassen die heutigen Untersuchungsmethoden ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis von eins zu eins erkennen. Degenerative Formen von Rheuma wie die Arthrose sind logischerweise unter älteren Menschen am häufigsten. Entzündliches Rheuma wiederum kann selten schon bei Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen auftreten.

«D’REGION»: Was weiss man über die Ursache von rheumatischen Erkran­kungen?
Prof. Dr. Aeberli: Man kennt die Risikofaktoren, die eine bestimmte Form von Rheuma begünstigen, und kann häufig Auslöser identifizieren, aber die tieferen Ursachen von Rheuma sind wissenschaftlich unbekannt. Höchs­tens zur Gichtursache gibt es einen Konsens. Allgemein geht man davon aus, dass genetische, epigenetische und Umweltfaktoren zusammenspielen. Die rheumatologische Therapie ist nicht abhängig von einer genauen Ursachenkenntnis, sondern richtet sich nach der Diagnose und den geltenden Behandlungsleitlinien.

«D’REGION»: Mit welchen körperlichen Einschränkungen sind Patientinnen und Patienten konfrontiert?
Prof. Dr. Aeberli: Die körperlichen Einschränkungen von Rheuma können sich sehr unterschiedlich ausprägen. Sie reichen von leichten Einschränkungen der alltäglichen Beweglichkeit und Belastbarkeit bis zu extremen Schmerzen, die einen arbeitsunfähig machen. Bei entzündlichem Rheuma kommen häufig noch körperliche Allgemeinsymptome hinzu wie ein Grippegefühl oder eine dauernde Erschöpfung.

«D’REGION»: Welche therapeutischen Massnamen werden am häufigsten bei rheumatischen Erkrankungen verordnet?
Prof. Dr. Aeberli: Zentral ist die medikamentöse Therapie. Man kann mit Medikamenten auf die Entzündungsprozesse einwirken, die Schmerzen unter Kontrolle bringen und den Verlauf der Krankheit beeinflussen. Das gilt vor allem für die entzündlichen Formen von Rheuma sowie für die chronische Gelenkgicht. Die Basis einer Arthrose-Therapie bilden hingegen nicht medikamentöse Massnahmen, die ein Übungsprogramm umfassen und eine Änderung des Lebensstils einleiten. Medikamente spielen dabei nur eine Nebenrolle. Allgemein sollte eine Rheuma-Therapie immer multi­modal angelegt sein, also verschiedene Behandlungsformen verknüpfen, sowie die betroffene Person ermuntern und anleiten, selber aktiv zu werden.

«D’REGION»: Mit welcher Behandlungsdauer müssen Patientinnen und Patienten rechnen?
Prof. Dr. Aeberli: Die Dauer einer Rheuma-Therapie ist abhängig von der Form von Rheuma. Die medikamentöse Behandlung von entzündlichem Rheuma ist häufig lebenslänglich, wobei Lebensstilmassnahmen dazu beitragen können, die Dosis oder die Frequenz der Medikamentengabe zu reduzieren.

«D’REGION»: Welche Bedeutung hat ein regionales Angebot für die Behandlung rheumatischer Erkrankungen?
Prof. Dr. Aeberli: Das regionale Angebot hat den Vorteil, dass die Anfahrtswege für Patientinnen und Patienten kurz, der Austausch und die Kommunikation zwischen Grundversorger – Hausärztinnen und Hausärzte oder Zuweiserinnen und Zuweiser – und Rheumatologe vereinfacht und niederschwelliger möglich ist. Dies führt insbesondere bei entzündlichen Rheuma-Erkrankungen zu einer zeitnahen Erstbeurteilung, Diagnosestellung und Therapie-Einleitung.

«D’REGION»: Auf welche Hauptthemen gehen Sie in Ihrem Vortrag ein?
Prof. Dr. Aeberli: In meinem Vortrag werde ich einen Überblick über die zwei Gruppen –  entzündliche und nicht entzündliche Formen – geben und auf besondere Merkmale, welche eine zeitnahe Erstbeurteilung erfordern, hinweisen.

Hans Mathys


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