Brigitte Wagner führt seit einigen Jahren das Teehaus Burgdorf am Kronenplatz. Parallel dazu ging sie einer anderen Arbeit in Bern nach. Dort lernte sie Unverpackt-Läden kennen und schätzen. Wegen eingeschränkter Laden- öffnungszeiten stand sie des Öfteren vor verschlossenen Türen. Warum sich darüber beklagen? Sie entschied sich, in Burgdorf einen Unverpackt-Laden mit gleichem Angebot zu eröffnen, jedoch mit längeren Öffnungszeiten. Im November 2019 kündigte sie die Arbeitsstelle in Bern und setzte sich von diesem Zeitpunkt an 100-prozentig für ihre Idee ein.
Im Juni 2020 eröffnete sie, integriert im Teeladen, den Unverpackt-Laden und wagte damit einen Neuanfang. Das «101g – Lebensmittel im Offenverkauf» bietet gut 180 verschiedene Lebensmittel an, ungefähr 90 Prozent davon Bioprodukte. Wagner achtet bei ihren Lieferanten/-innen wenn möglich auf Regionalität. Sie verfolgt die Herstellung der Lebensmittel von der Produktion bis zum Verkauf und lässt sich die Ware in Grossverpackungen und/oder Mehrweggebinden liefern.
Brigitte Wagner unterstützt auch nachhaltige Projekte im Ausland: In Ghana haben zwei Schweizer beobachtet, dass grosse Mengen an überreifem Obst, welches für den Handel nicht mehr geeignet ist, weggeworfen wurden. Nun kaufen sie dieses Obst und verarbeiten es zu Fruchtbällchen. Frauen aus der Region fanden so einen Arbeitgeber, bekommen einen fairen Lohn, zwei Mahlzeiten täglich und Kinderbetreuung während der Arbeitszeit. Für Wagner und ihr Team sind neben Qualität auch faire Bedingungen für Mensch und Natur bedeutend.

Jeder Einkauf ein Beitrag zugunsten der Umwelt
Wer im Unverpack-Laden einkaufe, bringe die Gebinde selbst mit oder lasse die Produkte in eine Papiertüte abfüllen, erklärt Wagner. Beim Eingang des Geschäfts steht ein Korb mit Gläsern «von der Kundschaft für die Kundschaft». In grossen Trommeln, Gläsern und sonstigen Behältern stehen verschiedene Getreide-, Reis-, Teigwaren-, Nuss-, Öl-, Essig-, Zucker- und Müeslisorten sowie Trockenfrüchte, Süsses, Joghurts und im Sommer biologische Glace zur Auswahl. Alles ist beschriftet mit Inhalt und Preis. Die mitgebrachte Verpackung wird gewogen, dann auf Wunsch der Kundschaft gefüllt, erneut gewogen und dann verrechnet. Wagner legt Wert darauf, die Kundschaft zu bedienen, damit allfällige Fragen direkt beantwortet werden können. «Die Produkte sind teurer als im Grossverteiler, doch hier kaufen Sie naturbelassenere und nahrhaftere Qualitätsprodukte ohne Zusatzstoffe», erklärt die Geschäftsführerin. Durch das bewusstere Einkaufen werde Foodwaste reduziert und es falle deutlich weniger Abfall an. Wagner hat im Laufe der Zeit ihr Angebot erweitert. So führt sie auch einen Hofladen in der Altstadt mit Produkten aus der Region. Neben Kulinarischem können Reinigungs- und Körperpflegeprodukte gekauft und nachgefüllt werden. Alle Produkte sind gesundheitlich unbedenklich.
In den vergangenen Jahren wurden die Klimadiskussionen immer hitziger geführt. Einem Grossteil der Bevölkerung ist bewusst, dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen. Was sind wir bereit zu tun, um dieser Verschwendung entgegenzuwirken? Kleine Schritte tragen zum grossen Ganzen bei. Eine Möglichkeit ist es, weniger Verpackungsabfall zu produzieren und somit das Bewusstsein für die Umwelt zu fördern.
Wagner verdient mit ihrem Laden einen kleineren Lohn als in ihrem früheren Job, doch sie verfolge einen nachhaltigeren, ressourcenschonenderen und umweltbewussteren Lebensstil. Ihr sei jedoch klar, dass es auch Kompromisse geben dürfe. Jeder und jede müsse den eigenen Weg finden.

Helen Käser
101g – Lebensmittel im Offenverkauf, Hohengasse 8, Burgdorf. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 8.30 bis 12.00 und 13.30 bis 18.30 Uhr; Samstag, 8.30 bis 16.00 Uhr.