Ein Mann, zwei Rollen, fünf Kühe

  31.08.2022 Aktuell, Lützelflüh

Ein Mann, eine Kuh. Das war die Kulisse des Freilichttheaters «Froschnacht», welches Johann Liechti diesen Sommer dem interessierten Publikum zeigte.
«Froschnacht» ist ein Roman von Markus Werner und erzählt von Klemens, einem alten Bauern, der mit der Welt und dem Wohlstand der Menschheit nicht mehr umgehen kann. Mit seinem Sohn Franz hat er sich zerstritten, nachdem dieser sein Amt als Pfarrer verloren hatte. Die Geschichte spielt im Jahr 1983. Erschienen ist der Roman 1985.
Bauer Johann Liechti hat diese Erzählung aus der Feder von Markus Werner im Jahr 2017 in aufwendiger Arbeit gekürzt und in ein nachdenkliches Theaterstück umgeschrieben. Er spielte beide Rollen selbst: die des Sohnes Franz und die des Vaters Klemens. Eine One-Man-Show. Nur die Kühe wechselten in ihrer Rolle als Statistinnen im Verlauf der Inszenierung.
«Froschnacht» ist ein literarischer Rundumschlag quer durch die heutige Gesellschaft. Der erste Monolog des Vaters spielt am 21. Oktober 1983, einen Tag nach dem Begräbnis von Bundesrat Willy Ritschard. Bauer Klemens, um den es im Theaterstück geht, wollte nie, dass seine Söhne Bauern werden. Mit Sätzen wie «Uns rennen die Kartoffeln nicht davon!» machte er ihnen stets klar, dass es Wichtigeres gibt als die Arbeit auf dem Feld. Überhaupt prägen pointierte Sätze das Theaterstück. Etwa, als Sohn Franz nach einer ausserehelichen Liebschaft seine Frau zitiert: «Verziehen wird in der Bibel; im wahren Leben gelten andere Gesetze!»
In der Rolle als Franz erzählt Johann Liechti ziemlich ausführlich, wie der Reissverschluss des Hosenladens am Anfang seiner Lebenswende stand … Als «Schandfleck» hat Vater Klemens seinen Sohn fortan beschimpft und gewünscht, dass dieser dereinst nicht an seinem Begräbnis zu erscheinen habe. Natürlich ist Franz trotzdem zur Beerdigung gegangen, als Vater Klemens irgendwann vom Melkstuhl gekippt war. Und seither hat Franz diesen Frosch im Hals. Einmal im Monat kehrt er für drei Tage und drei Nächte zurück. Dann sinniert Franz über seinen Vater und erzählt aus seinem Alltag als Lebensberater.
Ganze vier Jahre hat der Lützelflüher Bauer gebraucht, bis er den ganzen Text der rund anderthalbstündigen Vorstellung auswendig gelernt hatte. Er hatte sich die Monologe im Stall aufgehängt und das Manuskript bei der Arbeit auf dem Feld dabeigehabt.
Doch wie kommt man überhaupt dazu, ein Theaterstück ganz allein aufzuführen? Johann Liechti hat im Jahr 2009 den Roman «Froschnacht» gelesen und war fasziniert davon. Im Sommer 2015 nahm er das Buch erneut hervor, um eine ganz bestimmte Stelle zu suchen. Und da entstand die Idee für diese Aufführung. Ein Mann, zwei Rollen, fünf Kühe.
Johann Liechti ist diplomierter Berufsschullehrer ETH und unterrichtet neben seiner Tätigkeit als Bauer auch an der Lehrwerkstätte für Informatiker. Das Theaterstück «Froschnacht» hat er mithilfe von zwei Regisseuren auf die Beine gestellt. Scharfsinnig und mit teilweise provokanter Sprache stammen alle Passagen aus dem 1985 veröffentlichten Roman.
Auch im kommenden Sommer wird Liechti das Stück wieder auf seinem Hof in Lützelflüh vortragen. «Solange ich Milchbauer bin, spiele ich das Stück!», sagt er. Die Dernière ist jedoch bereits geplant. In rund zwei Jahren – zum 80. Geburtstag des Autors Markus Werner – wird er «Froschnacht» in der Kirche Opfertshofen ein letztes Mal spielen. Wohl nicht mit echten Kühen. Der Schriftsteller Markus Werner wird nicht dabei sein können. Er ist 2016 im Alter von 71 Jahren verstorben.

Petra Schmid
www.froschnacht.ch


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote