Der Umgang mit der Pandemie in der Region

  22.12.2021 Aktuell, Foto, Gesellschaft, Region

Die Massnahmen zur Corona-Bekämpfung haben starken Einfluss auf das Leben und den Alltag der Bevölkerung genommen. Die Massnahmen und Regelungen betreffen viele Berieche, von der Schule über die Altersheime oder Berteuungsdienste bis hin zu den Spitälern. Hinzu kommen die schnellen Änderungen bei den geltenden Bestimmungen und Massnahmen. So entschied der Kanton Bern etwa in den vergangenen Wochen zuerst, den Schulferienbeginn auf Mittwoch, 22. Dezember 2021, vorzuziehen, ehe dann bekannt wurde, dass der Start der Weihnachtsferien der Volksschulen in Bern gar auf den Montag, 20. Dezember 2021, vorverlegt wird.

Aus Sicht einer Familie
Die Schülerinnen und Schüler werden sich mit ziemlicher Sicherheit über die zusätzlichen Ferientage gefreut haben, viele Eltern stellen diese kurzfristig bekanntgegebenen Ferientage jedoch vor diverse Herausforderungen hinsichtlich der Organisation und der Betreuung der Kinder. So auch bei der Familie von Aesch aus Burgdorf. «Natürlich haben sich die Kinder extrem über den verfrühten Ferienstart gefreut», meint Vater Marc von Aesch. Für ihn und seine Frau Steffi galt es aber, sich kurzerhand zu organisieren. Anders als seine Frau, welche als Reinigungskraft tätig ist, ist er als Telekomberater im Verkauf tätig, und somit an Öffnungszeiten gebunden. «Meine Frau ist durch ihre Tätigkeit definitiv flexibler als ich. Jedoch habe auch ich einen sehr verständnisvollen Arbeitgeber», meint der 47-Jährige. Dadurch sei ihnen die Organisation betreffend der Kinderbetreuung eher leichtgefallen, dies sei aber nicht selbstverständlich. Als die Schulen im vergangenen Jahr geschlossen wurden und auf Fern­unterricht umstellten, bemerkte der Familienvater bei seinen Kindern beim Lernen doch eine gewisse Widerwilligkeit. Er glaubt, die Kinder können im Präsenzunterricht mehr profitieren als im Homeschooling. Dennoch steckt im täglichen Schulgang der Kinder eine gewisse Angst: «Die Angst, dass sich die Kinder in der Schule, unabhängig von unserem Verhalten als Eltern, mit dem Virus infizieren, ist natürlich schon gross.» Der Umgang mit dieser Angst vor der Weiterverbreitung stelle für sie die grösste Herausforderung dar. So konnten deshalb auch die Gross­eltern nicht mehr besucht werden. Diese haben gerade vor Kurzem die Corona-Erkrankung glücklicherweise gut überstanden und gelten nun als genesen. Wie für viele Familien ist die Pandemie auch für Familie von Aesch eine verrückte Zeit. Vater Marc sieht aber auch das Positive. Dadurch, dass die Kinder in letzter Zeit vermehrt zu Hause waren, habe man als Eltern auch mehr von ihnen. «Der Familienzusammenhalt wurde in dieser Zeit sicherlich gestärkt.»

Gemeinsam aus der Krise
Die beiden Kinder der Familie von Aesch sind zwei von rund 1700 Kindern, verteilt auf die fünf Primar- und zwei Oberstufenschulen in Burgdorf. Katrin Kurtogullari, Leiterin Volksschule Burgdorf, ist sich der Schwierigkeiten betreffend Betreuungsorganisation von Eltern durchaus bewusst. Die Situation rund um die Pandemie und die ständig ändernden Regelungen und Massnahmen, so Kurtogullari, seien weder für Schulleitung, Lehrpersonen und Mitarbeitende, Kinder, noch für Eltern einfach. Durch den zweimaligen Wechsel des Ferienstarts mussten diverse Pläne und organisatorische Punkte mehrmals revidiert, verworfen oder geändert werden. Für Familien, welche in dieser Kurzfristigkeit die Kinderbetreuung nicht gewährleisten konnten, wurde in Zusammenarbeit mit den drei Burgdorfer Tagesschulen eine Notfallbetreuung eingerichtet, welche bis am 23. Dezember 2021 die Kinder betreut. 21 Familien aus Burgdorf nutzen dieses Angebot, bei dem die Kinder in kleine Gruppen eingeteilt werden, um das Risiko einer Ansteckung möglichst klein zu halten.
Im Dezember 2021 verzeichneten die Schulen in Burgdorf 53 positive Corona-Fälle, drei Klassen befanden sich zum Zeitpunkt vom 17. Dezember 2021 in Quarantäne. «Es gibt zwei Seiten hinsichtlich dem momentanen Umgang mit der Pandemie. Zum einen ist die Sorge sowohl bei Schulleitung als auch bei den Lehrpersonen gross, das Virus zu verbreiten. Zum andern fällt durch die verfrühten Ferien eine ganz spezielle Zeit des Schuljahres, die spezielle vorweihnachtliche Zeit, weg», meint Kurtogullari. Diese Zeit verleihe dem Schulalltag doch jeweils eine besondere, schöne Atmosphäre. Doch auch hinsichtlich der Planung und des Unterrichts, gerade mit Blick auf die Lehrpersonen, falle nun einfach eine Woche weg. Die 250 Mitarbeitenden der Volksschule und allen voran die 1700 Kinder mit ihren Eltern bringen auch ganz viele verschiedene Meinungen mit sich. «Wir erhalten die ganze Palette von Rückmeldungen von Eltern. Von ‹die Massnahmen sind viel zu streng› bis ‹die Massnahmen sind zu locker, gar fahrlässig› ist alles dabei», erzählt Kurtogullari. Diese Vielfalt an Meinungen stelle eine grosse Herausforderung für die Schul- und Tagesschulleitungen dar. Um diese zu meis­tern, sei die Zusammenarbeit aller Beteiligten wichtig. «Es gilt, pragmatische Lösungen zu finden und diese dann verständlich und transparent zu vermitteln.» Um diese Krise und die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen zu können, müssen die Schulen und Tagesschulen Burgdorf eng zusammenarbeiten. Es bestehen gemeinsame Schutzkonzepte und Abmachungen für Fernunterricht und Notfallbetreuung. «Unser Credo lautet: Gemeinsam für die Schulen und Tagesschulen in Burgdorf!», so die Volksschulleiterin abschliessend.

Die Moral
Durch die zunehmenden Fallzahlen sind natürlich auch Einrichtungen wie Seniorenheime und Spitäler vermehrt durch die Pandemie-Massnahmen betroffen. So beschloss der Kanton Bern eine Zertifikatspflicht für das Gesundheits- und Pflegepersonal. Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss sich regelmässig testen. Im Seniorenzentrum Oberburg gehen die Leitung und das Personal gelassen mit den neuen Bestimmungen um. Nachdem im November 2021 drei Mitarbeitende positiv auf das Virus getestet wurden, sorge die neue Regelung beim Personal des Seniorenzentrums primär für ein höheres Sicherheitsgefühl, so Geschäftsführerin Irene Minder Ruch. Die neue Regelung habe sich auch nicht negativ auf die Moral der rund 95 Mitarbeitenden ausgewirkt, denn diese habe sich schliesslich «bereits seit Längerem abgezeichnet», so Minder. Auch im Seniorenzentrum Oberburg sei die grösste Herausforderung, nebst den Covid-Kosten, die Angst vor einem weiteren Corona-Ausbruch und eine rVerbreitung des Virus. Dadurch sei das Verständnis für die geltenden Schutzkonzepte sowohl bei den Bewohnern wie auch bei deren Angehörigen sehr hoch. «Ausser der Zertifikatspflicht, der Maskenpflicht und dass wir in kleineren Gruppen essen, gibt es aktuell keine Einschränkungen», so die Geschäftsführerin. Auch wenn der Alltag durch die Schutzmassnahmen intensiver sei, herrsche im Seniorenzentrum bei Bewohnern wie Personal eine gute, gestärkte Stimmung.
Auch bei der Spitex Burgdorf-Oberburg sei die Moral, so Geschäftsleiterin Claudia Sommer, grundsätzlich gut. Angst vor einer Ansteckung im Zusammenhang mit der Betreuung und Pflege von Klientinnen und Klienten gäbe es nicht, der Respekt vor dem Virus sei jedoch sicher da, versichert Sommer. «Die Pandemie ist ein Marathon. Viele unserer Mitarbeitenden sind jetzt aber, so kurz vor Weihnachten, auch müde und zum Beispiel durch die frühere Schliessung der Schulen zusätzlich gefordert, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen.» Bei einem Betreuungsdienst wie der Spitex ist aber natürlich auch eine gewisse Nähe und Zwischenmenschlichkeit zwischen Personal und den betreuten Personen von Bedeutung. Ein Teil der Mimik gehe durch das Tragen der Maske verloren und auch, ob eine Person lächle oder nicht, sei nicht mehr so leicht erkennbar. Die Klientinnen und Klienten seien zwar ein wenig «massnahmenmüde», dennoch gehen, so Sommer, sowohl sie als auch das Spitex-Personal vorbildlich mit der fordernden Situation um. Die Geschäftsleiterin sieht die grösste Herausforderung hinsichtlich der Pandemie in Bezug auf die Spitex darin, sich der ständig verändernden Situation und den neuen Massnahmen anzupassen, diesen gerecht zu werden und sie letztlich entsprechend umzusetzen. Die Zertifikatspflicht wurde in den Alltag integriert, seit August 2021 führt die Spitex Burgdorf-Oberburg bereits ein betriebliches Testen der Mitarbeitenden durch. Unterstützt durch den Spitex-Verband Kanton Bern wurde dabei die Zusammenarbeit mit einem Labor punkto Testen eingeführt. Diese Zusammenarbeit, so Sommer, sei sehr effizient und sorge dafür, dass die zusätzlichen Aufwände, welche für den Betrieb entstehen würden, vertretbar seien. Weiter würden, gemäss Sommer, viele Menschen noch stärker den Wunsch hegen, so lange wie möglich zu Hause bleiben zu können. Dies fordere auch die Spitex. Daher sei ein gutes Zusammenspiel mit Kooperationspartnern, Ärzten, Spitälern und weiteren Beteiligten sehr wichtig. Die Bedeutung dieses Zusammenspiels zeigt sich auch mit Blick auf eine drohende Überlas­tung der Spitalbetten. «Covid-positive, jedoch stabile Patienten werden eher früh entlassen, um für Personen, welche ein Spitalbett dringend benötigen, Platz zu schaffen. Durch die Möglichkeit, solche aus dem Spital entlassenen Patienten in ein ambulantes Pflegesetting aufzunehmen, wird somit das Spital auch durch unsere Tätigkeit unterstützt.»

Hoher Druck
Wie sieht es konkret mit der Belegung der Intensivbetten im Spital Emmental (RSE) aus? «Momentan werden sechs von acht Betten betrieben. Je nach Anzahl intubierter oder nicht-invasiv beatmeter Covid-Patienten und Beatmungspatienten muss die Anzahl der betriebenen Intensivbetten angepasst werden», meint André Peters, Gesamtleiter Pflege des RSE. Limitierender Faktor sei dabei das spezialisierte Intensivpflegepersonal, welches nicht beliebig ausbaubar sei, warnt Peters. Die Anzahl an hospitalisierten Covid-Erkrankten im RSE schwankt zwischen 10 und 20 Patienten. Auf der Intensivstation seien, so Peters, praktisch alle Patienten ungeimpft. Die Gesamtsituation für das medizinische und pflegerische Personal stuft Peters als belastend ein. Nebst den Covid-Patienten ist die momentane Jahreszeit zusätzlich diejenige, in der sich ganz allgemein mehr Patientinnen und Patienten in Spitälern befinden. «Das Pflege- und Ärtzepersonal ist müde. Sie leisten viel und sind sehr engagiert, aber es zehrt an den Kräften, dass die Arbeitsbelastung seit bald zwei Jahren derart hoch ist.» Es habe deshalb vereinzelt auch schon Kündigungen wegen der Mehrbelastung der Pandemie gegeben, so der Gesamtleiter Pflege des RSE. Aufgrund der hohen Belastung sind bisher nur ganz wenige, elektive Eingriffe und Operationen verschoben worden. Diese hohe Belastung und der damit verbundene ständige Druck sieht Beat Jost, COO und stellvertretender CEO des RSE, als die grosse Herausforderung. Die Situation für das Personal, so Jost, sei ermüdend und sorge dafür, dass das medizinische Personal sich nur ungenügend erholen könne. «Zudem sieht es auch nicht so aus, dass sich die Situation in den nächsten Wochen ändert», bemerkt Jost. Auch die so eben erlassene Zertifikatspflicht für alle Angestellten weist in diese Richtung: «Die Spitalleitung hat am Mittwochnachmittag aus den Medien vom Beschluss des Regierungsrats erfahren, dass ab Donnerstag, 16. Dezember 2021, eine Testpflicht für alle Mitarbeitenden ohne gültiges Zertifikat gilt. Eine solche Weisung lässt sich in einem Betrieb mit unregelmässigen Arbeitszeiten und vielen Teilzeitmitarbeitenden nicht von einem Tag auf den anderen umsetzen, sondern braucht eine gewisse Vorlaufzeit.» Gute Neuigkeiten verkündet Jost betreffend Auffrischimpfungen: «Die Nachfrage nach Booster-Impfungen ist gross. Der Dezember 2021 ist komplett ausgebucht, bis Mitte Januar 2022 sind die Impftermine auch bereits vergeben. In Burgdorf werden momentan pro Tag zwischen 180 und 190 Booster-Impfungen verabreicht.» Das Spital hat nun zusätzliches Personal rekrutiert, um das Angebot der Nachfrage entsprechend ausbauen zu können.

Joel Sollberger


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote