In seinem Dachstock hat Hans Leuenberger einen ganzen Zoo, eine Voliere und eine stattliche Gärtnerei untergebracht. Auch ein Stück Wilder Westen hat noch ein stilles Plätzchen gefunden. «Wie ist das überhaupt möglich?», fragt man sich nun. Um was für ein gigantisches Anwesen muss es sich da wohl handeln, wenn all dies im «Estrich» Platz haben will? Natürlich handelt es sich dabei nicht um echte Tiere, Vögel und Pflanzen, sondern lediglich um ihre schön gemalten Abbilder. In den vergangenen Jahrzehnten hat der ehemalige Käser in seinem schmucken Eigenheim auf dem Hügel von Grünenmatt eine respektable Sammlung an Wandtellern aus Porzellan zusammengetragen, welche er in seinem Dachstock ausgestellt hat.
Ähnlich wie bei den Kaffeerahmdeckeli, über welche wir in der Ausgabe der «D’REGION» vom 9. März 2021 berichtet haben, ist auch diese Sammelleidenschaft heutzutage vom Aussterben bedroht.

Aus Bild wird Wandteller
Schuld an der riesigen Sammlung an Wandtellern ist eigentlich nur ein einziges Bild. Zur Hochzeit des Paares 1968 schenkte der Schwiegervater diesem einen Kunstdruck, der Hans Leuenberger schon immer sehr gefallen hatte: «Frohe Heimkehr» von Rudolf Koller. Etwas später entdeckte Leuenberger in einem Katalog Wandteller mit weiteren Motiven von Koller. «Diese Wandteller waren damals ein halbes Vermögen wert», gibt Hans Leuenberger zu. «Nicht einmal meiner Frau habe ich erzählt, wie viel sie gekostet haben.» Nach und nach lernte er weitere Personen kennen, die ebenfalls Wandteller sammelten, und so stieg die Sammlung von Hans Leuenberger bis zur Jahrtausendwende stetig an. Doch ähnlich wie bei den Kaffeerahmdeckeli findet auch bei den Wandtellersammlern eine Überalterung statt. «Damals haben hier in der Region noch acht Leute Wandtellersammlungen besessen», erinnert sich Hans Leuenberger zurück. Heute seien es noch deren zwei.
Dabei kommt er immer wieder unverhofft in den Besitz von weiteren Tellern, wie der Emmentaler berichtet. Bei einer Reise zu einem Sammelteller-Museum in Deutschland hatten Leuenbergers ein anderes Ehepaar aus Aarau kennengelernt. Sehr plötzlich verstarb der Ehemann dieser neuen Bekanntschaft und hinterliess Hans Leuenberger dessen Tellersammlung. Mittlerweile besitzt Leuenberger fast 850 dieser kunstvollen Schmuckstücke. Abgebildet ist dabei allerlei. Zahlreiche Blumen und Kräuter, verschiedene Tiere, viele Vögel (Hans Leuenberger interessiert sich besonders für die Ornithologie) und sogar einige Cowboys und Indianer.  Nachdem die vier Kinder des Ehepaars aus dem Elternhaus ausgezogen waren, stand der Estrich zur Gestaltung eines eigenen Ausstellungsraums zur Verfügung. «Ich kenne in der Schweiz nur jemanden, der mehr Wandteller besitzt als ich», erzählt der 77-Jährige. «Ein Bekannter aus Gerlafingen hat vielleicht doppelt so viele wie ich. Er hat sie aber nicht ausgestellt, sondern in Kisten verpackt.» Nicht so bei Hans Leuenberger: In selbst gebauten Regalen hat er seine Sammlung in einem ganzen Stockwerk des Hauses hergerichtet. «Ich möchte sie schliesslich sehen», so Leuenberger. Auch für seine Frau Elisabeth ist der Hobbyraum praktisch. «Ich muss Hans nie suchen», lacht sie. Viele Stunden hat er schon in seinem Dachstock bei den Wandtellern verbracht, entweder alleine, mit Freunden oder auch mit seiner Frau Elisabeth. «Auf dem ‹Estrich› über die Wandteller zu fachsimpeln gibt mir fast so viel, wie zur Predigt zu gehen», schwärmt der Pensionär.
In den vergangenen Jahren ist das Interesse an den Sammeltellern und somit auch der Preis stark eingebrochen. Damit ist Hans Leuenberger nicht ganz unzufrieden. «Früher hätte ich so eine Sammlung nie vermocht», weiss der Sammeltellerkenner. «Jetzt habe ich aber genug Teller. Und ich hoffe, dass ich sie noch eine Weile geniessen kann.»

David Kocher

Wer die Sammlung von Hans Leuenberger selbst einmal anschauen möchte, ist herzlich eingeladen, ihn unter der Telefonnummer 034 431 31 70 zu kontaktieren.