Von «zischenden Dampfkochtöpfen» und «quiekenden Ferkeln»

  27.11.2019 Aktuell, Foto, Kultur, Utzenstorf, Gesellschaft, Region

Im Jahr 2019 hat die Stiftung Wildstation Landshut in Utzenstorf bisher bereits über 1900 einheimische Wildtiere behandelt, gepflegt und rehabilitiert und wenn immer möglich wieder ausgewildert. Neben den Säugetieren wie Igeln, Eichhörnchen oder Iltissen besitzt ein Grossteil der tierischen Patienten kein Fell, sondern Federn. Jedes Jahr werden knapp 1000 verletzte, kranke, schwache oder verwaiste Vögel in der Stiftung Wildstation betreut. Oft handelt es sich dabei um seltene und bedrohte Tierarten. Bei einigen von ihnen muss man erst einmal gut überlegen, um was für ein Tier es sich handeln könnte, vor allem wenn man es nicht sieht, sondern nur hört…
Mitunter erklingen seltsame Geräusche aus den Räumen der Wildstation. Ende Oktober beispielsweise drang ein leises Zischen aus dem Behandlungsraum. Was war das? Es hörte sich an wie ein zischender Dampfkochtopf. Doch weit gefehlt, was da auf dem Untersuchungs­tisch sass, war ein kleines, weisses Federknäuel – eine Schleiereule! So spät im Jahr hatten die Mitarbeiter der Stiftung Wildstation keine so junge Eule mehr erwartet. Die kleine Flaumkugel war unterhalb eines Schleiereulennistkastens geschwächt aufgefunden worden. Ganz offensichtlich war sie als letzter Nestling einer zweiten Jahresbrut übrig geblieben. Alle Geschwis­tertiere waren wohl schon eine Weile zuvor ausgeflogen. Da Schleiereulen ihre drei bis zwölf Eier im Abstand von mehreren Tagen legen und das Weibchen schon vom ersten Ei an zu brüten beginnt,
ist der älteste Nestling manchmal bereits 24 Tage alt, wenn das letzte Küken schlüpft. Doch der «zischende Dampfkochtopf» hatte Glück. In der sachkundigen Obhut des Wildstationsteams konnte das Eulchen zu einer richtigen Schönheit heranwachsen und noch rechtzeitig vor Wintereinbruch auf leisen Schwingen in die dunkle Nacht entschweben. Die Schleiereule sieht nun, dank Artenförderung in der Auswilderungsregion, einer positiven Zukunft entgegen.
«Quiik-quiik.» Klingt dieser Laut vertraut? Man denkt jetzt bestimmt an ein kleines Schwein. Nein, ein Ferkel ist es nicht, denn Haus- und Nutztiere werden in der Stiftung Wildstation nicht betreut. Was da vor einigen Wochen mit schweren Verletzungen eingeliefert wurde, war ein normalerweise sehr versteckt im dichten Schilf lebender, einheimischer Vogel – eine Wasserralle. Die Rufe dieser seltenen Ralle, von der es schweizweit nur noch 500 bis 800 Brutpaare gibt, erinnern tatsächlich stark an das Quieken eines Schweines. Das «quiekende Ferkel» war wahrscheinlich von einer Katze erbeutet worden und hatte dadurch mehrere Bisswunden am rechten Bein sowie einen Bruch im Zehengelenk erlitten. Die Prognose war aufgrund der zahlreichen und komplexen Wunden sehr vorsichtig. Doch die medizinische Behandlung des scheuen Vogels mittels Schmerzmittel, Antibiotikum und einer Ruhigstellung des Beins war von Erfolg gekrönt. Die Blessuren heilten, der Patient frass mit Appetit, und bald war die Zeit für den Umzug in die Auswilderungsvoliere gekommen. Hier konnte die Rehabilitation fortgesetzt werden, das Bein allmählich wieder belastet und die Muskulatur wieder aufgebaut werden. Mittlerweile watet die Wasserralle wieder in einem nahe gelegenen Feuchtgebiet durchs Wasser auf der Suche nach Insekten, Schnecken und Würmern. Hoffentlich noch lange!
Wer neugierig geworden ist und die Stiftung Wildstation Landshut mit ihren Wildtierpfleglingen und -patienten kennenlernen möchte, hat bald Gelegenheit dazu.
Am Sonntag, 8. Dezember 2019, findet von 14.00 bis 17.00 Uhr das traditionelle «Chlousefest» in der Wildstation statt. Hier kann man «Greifvögel als Wildtiere und Jagdbegleiter des Falkners» erleben und einen stimmungsvollen Adventsnachmittag mit heissen Getränken und leckeren Naschereien geniessen. Die Besucher erwartet ein spannendes Programm. Daniel Kleger, der Präsident der Schweizerischen Falkner-Vereinigung (SFV), lädt im Rahmen eines Vortrags um 15.00 Uhr dazu ein, in die faszinierende Welt der Greifvögel und der Falknerei einzutauchen. Zudem informieren Führungen über die Arbeit und Pfleglinge der Wildstation, und an verschiedenen Themenständen gibt es allerlei zu entdecken. Wer wissen will, welche Greifvogelarten hier heimisch sind, welche besonderen Fähigkeiten und Anpassungen Greifvögel besitzen und warum Greifvögel in Not geraten können, der sollte am 8. Dezember 2019 die Stiftung Wildstation besuchen. Kinder aufgepasst: Natürlich wird auch der Samichlous in die Wildstation kommen! zvg

www.wildstation.ch.


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