169 Jahre Uhren-Stirnemann-Dynastie geht zu Ende

  28.06.2019 Foto, Kultur, Wirtschaft

«Sie für uns, wir für Sie am (Uhr-)Werk» heisst die zentrale Botschaft eines alteingesessenen Geschäftes in Münchenbuchsee. Aber nicht mehr lange, denn Silvia und Werner Stirnemann, die das seit 1850 bestehende, familieneigene Uhren- und Bijouteriegeschäft in der vierten Generation führen, hören mit einem Totalausverkauf nach 44 Jahren auf.
Werner Stirnemanns Vater Hans, der Inhaber des Geschäftes bis 1975, hatte damals aus gesundheitlichen Gründen den Wunsch, dass die jahrzehntelange  Familientradition weitergeführt wird. In der Folge brachen Werner und seine Ehefrau Silvia ihre «Zelte» in Basel ab und übernahmen den Betrieb.

Hohe Qualität, Vertrauen
Die beiden jungen Geschäftsleute lernten rasch, sich der Zeit anzupassen und sich weiterzuentwickeln, ohne aber die gewohnten Traditionen zu vernachlässigen. «Kundenbedürfnisse und Trends erkennen, flexibel sein und das Qualitätsbewusstsein hoch halten, waren stets unsere Erfolgsgaranten», betonten Stirnemanns mit Stolz. Stillstehen war für dieses weitherum bekannte Spezialgeschäft kein Thema. Dem riesigen Boom der neuen Uhrengeneration Rechnung zu tragen und mit zeitgemässen Angeboten auch vermehrt jüngere Kundschaft anzusprechen war zwingend. Oberste Maxime für Silvia und Werner Stirnemann war, dem zunehmenden Internet-Handel mit guter Beratung und hohem Fachwissen im Uhren- und Schmuckbereich  zu begegnen.
Eine grosse Stammkundschaft und viel gegenseitiges Vertrauen ist während mehr als vier Jahrzenten entstanden. Bezüglich Vertrauen blieb ein schönes Erlebnis besonders in Erinnerung: Mit Absender «Pflegeheim» bat vor 22 Jahren ein Kunde um die Zustellung einer Uhr mit Einzahlungsschein. Gleich zweimal erwähnte er in seiner brieflichen Bestellung, dass er das nötige Geld schon bereit habe. Die Uhr wurde ihm geliefert und die Zahlung erfolgte.     

Kundenwunsch
Ein kurioser Kundenwunsch wurde als Beispiel von unzähligen Begegnungen genannt. Ein Kunde wollte für eine Woche eine «Rado»-Schachtel ausleihen. Auf die Frage, ob er denn seine Uhr selber in die Fabrik senden möchte, meine er:  «Nein, ich handle mit Uhren und habe eine ‹Rado› verkauft.» Wie er mit der Antwort von Stirnemanns, dass jeder Kunde Anspruch auf ein neues Etui habe, umgegangen ist, bleibt offen. Zum Verleih-Geschäft kam es nicht.

Keine fünfte Generation
Die Fortführung der Stirnemann-Dynastie in fünfter Generation kam nicht zustande, weil sich die beiden Töchter beruflich anders orientierten, wofür die Eltern das nötige Verständnis aufbrachten. Kommt mit der Geschäftsauflösung und dem Totalausverkauf etwas Wehmut auf? «Ja, obschon wir uns auf das Kürzertreten und andere Tagesabläufe freuen, werden uns die vielen schönen Kontakte und guten Gespräche mit den Kunden fehlen», äusserte sich das Ehepaar Stirnemann mit einem lachenden und weinenden Auge.

Werner Schmidiger


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote