Timmermahn liest «eigene Wahrheiten»

  06.02.2018 Gesellschaft, Oberburg, Kultur

Und das so realistisch und sowohl von den Heimbewohnern als auch vom Personal und der Geschäftsleitung schon oft erlebt; denn Tim Timmermahn – der sich am liebsten nur mit seinem selbst gewählten Nachnamen anreden lässt – weiss genau, von was er bei seinen Lesungen spricht.

Ein guter Beobachter
Mit seinem – scheinbar – im hintersten Emmental gewachsenen Berndeutsch lässt er bei seinen rund einem halben Dutzend vorgetragenen Geschichten zahlreiche verschiedene Personen – jung oder alt, Frauen oder Männer – vor dem Publikum sichtbar werden, deren Stimmen er überzeugend in verschiedenen Ton- und bisweilen Quietsch­lagen präsentiert. Auch Gesang gehört dazu. Das Publikum inklusive die zahlreichen geladenen Gäste und der Stiftungsratspräsident, Willy Bähler, Geschäftsführer der Baufirma Otto Mäder AG Oberburg (welche den Anlass gesponsert hat), amüsiert sich köstlich. Bähler erinnert daran, dass seine Baufirma sowohl das Heim bauen als auch vor drei Jahren umbauen konnte. Diese Lesung stellt ein «etwas verspätetes Danke an Leitung, Personal und Persionäre für deren Geduld und Verständnis dar». Geschäftsführerin Irene Minder Ruch dankt Timmermahn und Bähler für den grossartigen Anlass.
Entsprechend anhaltend und herzlich ist der Applaus nach jeder Geschichte, die sich ausnahmslos um ältere Herrschaften, deren Wehwehchen, Skurrilitäten, Angewohnheiten und pfiffiges Aufmüpfen gegen zu viel Betreuung drehen. Nicht wenigen sind solche Vorkommnisse durchaus bekannt, sei es als Heimbewohner, Pflegerin oder Familienangehörige von Betreuten. An diesem Nachmittag eint sie alle das herzhafte Lachen über die geschilderten Situationen.

Für diffizile Altersmägen
Nie wird Timmermahn sarkastisch, stets serviert er seine urkomischen und bisweilen lebensecht peinlichen Vorkommnisse mit Humor und sehr viel Charme. Wie beispielsweise zu Beginn mit «Geburtstag im Altersheim», als sich die endlich 98-jährige Hildegard Bitterli auf ihre grosse Überraschung – einen elektrischen Rollstuhl – freut. Alle wissen, was sie bekommt, die offizielle Überraschung ist «total gelungen». Dann nimmt das Verhängnis seinen Lauf beziehungsweise Hildi findet Freude am Fahren. Angefeuert von ihren Heimbewohnern steigert sie das Tempo, bis sie schliesslich in die achtstöckige Geburtstagstorte kracht. Allein die Aufzählung der Tortenzutaten löst aufgrund der Mengen (10 Liter schädelspaltender Extra-Rhum usw.) spontanes Gelächter aus. Kulinarische Empfehlungen gibt Timmermahn auch bei anderen Geschichten: ein exquisites Mahl, garniert mit Tubenmayonnaise, oder Rindsbraten auf Rehrücken.

Nicht verzagen
Der Nachmittag verläuft ähnlich wie in der beschriebenen «Seniorenresidenz Himmelsteig» sehr vergnüglich, das Publikum geniesst Timmermahns «eigene Wahrheiten». Und überlegt sich bei seiner Zugabe, ob ein Rückwärtszählen der Lebensjahre vom Altersheim über die Pensionierung, den täglichen Stress im Arbeitsalltag bis hin zum Militärdienst, über die Lehre zu Schule und Kindergarten bis endlich zum Nuggi erstrebenswert wäre. Trotz allem bleibt die Zuversicht, dass man auch als Seniorin oder in einer Seniorenresidenz mit dem eigenen Durchhaltevermögen und einer rechten Portion Dickköpfigkeit vieles realisieren kann, beispielsweise eine hemmungslose Schlemmerei im Gasthof Bären im Oberland bis zur totalen Rückgabe des Genossenen auf der Rückfahrt Richtung Sohn am Steuer. Oder eben die totale Vernichtung der Geburtstagstorte, von der die Heimbewohner schliesslich je einen Teller mit gequirlter Masse konsumieren müssen.
Beim Apéro riche bleibt viel Zeit, das Gehörte nochmals Revue passieren zu lassen und sich an den hausgemachten Köstlichkeiten gütlich zu tun.

Gerti Binz


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