Burgenbau und Herrschaft im 12. und 13. Jahrhundert

  31.07.2017 Aktuell, Bildung, Kultur, Utzenstorf, Bildung / Schule, Gesellschaft, Jugend, Region

«Ich bin zuständig für das Mittelalter und die Neuzeit, das heisst konkret: Mittelalterarchäologie. Das bedeutet Dörfer, Städte, Kirchen, Klöster und auch Burgen.» Mit diesen Worten umschrieb Dr. Armand Baeriswyl, Amt für Kultur/Archäologischer Dienst, Leiter des Ressorts Archäologische Untersuchungen und Auswertungen, vergangenen Donnerstagabend im Festsaal des Schlosses Landshut, Utzenstorf, seine Tätigkeit. Daneben ist Baeriswyl Privatdozent an der Universität Bern, unterrichtet Mittelalter­archäologie, ist in diversen Fachvereinen tätig, so auch im Vorstand des Schweizerischen Burgenvereins. «Ausgraben heisst zerstören. Am Schluss ist die römische Villa – als Beispiel – kaputt. Wir sind deshalb sehr zurückhaltend bei der Arbeit und dokumentieren alles genau. Diese Tätigkeit führen wir ungefähr 300 Mal pro Jahr im Kanton Bern auf den insgesamt 6000 km2 aus.»

Zu jung, zu materiell, zu historisch
Ritter und Burgen interessieren. «Unsere Burgen und Schlösser sind ausserordentlich beliebt. Entsprechende Umfragen des Bundesamtes für Kultur bestätigen das», so Baeriswyl. Wer die Burgen zu welcher Zeit und zu welchem Zweck gebaut und genutzt hat, ist nicht so klar. Die Vorstellungen darüber seien geprägt von Klischees und unvollständigen Informationen. «Meistens kennt man die Nutzungsgeschichte so ab Barock einigermassen», liess der Referent wissen. Das Erforschen der Burgen sei von der Forschung lange Zeit vernachlässigt worden und oft in den Händen von Laien wie Lehrer, Pfarrer und Architekten gelegen. «Den Archäologen waren die Burgen lange Zeit zu jung. Den Historikern waren sie lange Zeit zu materiell, den Architekturhistorikern zu wenig kunstvoll (zu viel Masse, zu wenig Stilistik) und den Architekten zu historisch.» Zudem seien die Burgen sehr lange unter militärischen Gesichtspunkten betrachtet und dadurch missverstanden worden.

Wissenschaftlich erforschen
Burgenforschung müsse interdisziplinär erfolgen. Die Bauforschung helfe dabei entscheidend mit. Das letzte Mal, als das Schloss Landshut verputzt worden sei, habe man das verpasst. Jetzt gelte es bis zur nächsten Sanierung zu warten. Die modernen Forschungsmethoden können nur im Rahmen einer Sanierung angewendet werden. Trotzdem sind in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von neuen Erkenntnissen zusammengekommen: Burgen waren nicht reine Funktionsbauten, sondern sie reflektierten die Bedürfnisse ihrer Bauherren, und zwar nicht nur die materiellen, sondern auch wirtschaftliche, soziale und politische. Sie waren der bauliche Ausdruck einer Elite.

Grunddefinition
«Die Burg ist eigentlich ein verteidigungsfähiger Wohn-, Wirtschafts-, Herrschafts- und Repräsentationssitz des Adels im Mittelalter», so Baeriswyl. Burgen waren also die herrschaftlichen und wirtschaftlichen Zentren – eine Herrschaft über Land und Leute. Der Grundherr bestimmte unter anderem über die zu entrichtenden Steuern und Abgaben der Bauern, erteilte Pflanzvorgaben, verbot Heiraten, verlangte im Todesfall Entschädigungen von den Nachkommen wegen Verlust einer Arbeitskraft. «Bis Mitte des 18. Jahrhunderts änderte sich betreffend die Herrschaftsstrukturen nichts. Es wurden bloss die Köpfe ausgetauscht», so der Referent.
Vom Herrenhof zur Burg und zum Schloss
Um das Jahr 1000 verschwanden die Herrenhöfe aus den Zentren. Es ging auf den nächsten Hügel hinauf – in Utzenstorf weg vom Dorf nach Landshut. Man baute aus Stein und erstellte eine Burg, um noch besser sichtbar zu sein. Wer keinen Hügel hatte, schüttete einen auf. «Im 12. und 13. Jahrhundert wurde eine eigentliche Burgenbauwelle erlebt. Spätestens um 1250 nahm dieser Boom ab. Es entstanden kaum noch neue Burgen. Die Städtegründungen begannen. Immer mehr Adlige fanden das Burgenleben unpraktisch. Von der Burg zum Schloss, lautete der nächste Trend. Mit einem Schloss konnte noch besser gezeigt werden, wie mächtig man
war.

 Zu Landshut
«Ich nehme an, dass der Anfang eine Kirche vom 7./8. oder 9. Jahrhundert war. Daneben stand der Herrenhof. Irgendwann um 1000 sagte der Herr: ‹Ich will jetzt auch eine schöne Burg bauen›», so Baeriswyls Spekulationen zu den Anfängen des Schlosses Landshut. Nach 1218 unter dem Grafen von Kyburg gab es diese Burg. Denn um 1250 waren die Kyburger präsent in der Gegend. Dass es sich wohl eher um eine bescheidene Burg gehandelt haben musste, hielt der Referent abschliessend auch noch fest.

Barbara Schwarzwald


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