Ist ein Blackout in der Schweiz möglich?

  27.06.2017 Aktuell, Bildung, Wirtschaft, Burgdorf, Bildung / Schule, Gesellschaft, Region, Politik

«Die Schweiz: ein gewaltiges Netz. Wir alle sind miteinander verbunden – über Schienen und Autobahnen, über Kupferdraht und Glasfasern, über WiFi und Bluetooth. Alles ist jederzeit verfügbar. Das verdanken wir den Netzen, die uns verbinden. Und dem einen Netz, das alle anderen Netze zusammenfügt. Was wäre, wenn dieses Netz ausfällt?» (Zitate aus Infofilm des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz BABS). Einen kompletten Stromausfall hat die Schweiz noch nie erlebt. Wären wir darauf vorbereitet? SRF-Moderatorin Sonja Hasler, die durch den Abend führte, startete mit einer gekürzten Version des Films ins 14. Burgdorfer Energie-Symposium. «Blackout: Das Thema ist hochbrisant und die Referenten hochkarätig», liess Urs Gnehm, CEO Localnet AG, Burgdorf, seinerseits verlauten.

10 bis 20 GW PV bis 2035
ETH-Professor Anton Gunzinger, Gründer Supercomputing Systems und Buchautor («Kraftwerk Schweiz – Plädoyer für eine Energiewende mit Zukunft»), widmete sich in seinem Referat den Themen «Was passiert in der Energiewelt?», «Wie kann ein Blackout geschehen?» und «Wird es inskünftig mehr Blackouts geben mit der dezentralen Energieeinspeisung?». Zur ersten Frage meinte er: «Die Welt setzt auf erneuerbar.» Die Schweiz werde sich dem Trend nicht entziehen können. 10 bis 20 GW Photovoltaik (PV) bis 2035 seien in unserem Land realistisch. «PV wird mit Batterien ergänzt. Das Netz wird entlastet.» Die nicht regelbare konstante Energie aus Atomkraftwerken werde durch fluktuierende aus Photovoltaik, Wind und Biomasse ersetzt. – Im Stromnetz müssen Angebot und Nachfrage stets im Gleichgewicht sein. Wird diese Regel verletzt, entsteht ein Blackout. Auch die Überlastung einzelner Komponenten (das N-1-Problem) mit Kettenreaktion kann zum Blackout führen. Swissgrid überwacht das Hochspannungsnetz – alle 15 Minuten auch die N-1-Regel. In circa zwei Prozent der Zeit (160 Std./Jahr) werde sie verletzt. Würde es genau in dieser Zeit zu einem Ausfall kommen, könnte ein Blackout entstehen.

Powerpaar PV und Batterien
«In der Energiewelt findet im Moment ein gigantischer Umbruch statt», so Gunzinger. Vor zehn Jahren habe der Preis für PV noch 60 Cents/kWh betragen, heute belaufe er sich in Deutschland auf 5,6 Cents/kWh. Der Wind kostet ungefähr die Hälfte der Solarenergie, ist in der Schweiz aber ein Politikum. «Wir hätten die Kapazität dazu.» Die Biomasse funktioniert sehr gut. Fast jedes Dorf errichte ein Fernheizkraftwerk, meinte er. Im Jahr 2016 sind 250 TWh erneuerbare Energie weltweit zugebaut worden. Das entspricht etwa 30-mal der Energiemenge, die das AKW Gösgen produziert. In der Schweiz sind zwei Prozent durch PV erzeugt worden. «Wir sind bei 0,3 TWh/Jahr. Würden wir 2,5 TWh/Jahr zubauen, hätten wir in zehn Jahren alle AKW kompensiert.» Ein weiteres Phänomen sind die Batteriekosten. Im Jahr 2012 seien für den TESLA-Roadster noch 1000 Fr./kWh bezahlt worden. Die Batterie allein habe nur schon 56 000 Franken gekos­tet. Heute könnten in China Batterien für 100 Fr./kWh gekauft werden. «Photovoltaik und Batterien: Das gibt ein Powerpaar.» Dezentrale Batterien führen zu einem stabileren elektrischen System. Aber das Management der dezentralen Einspeisung sei komplexer. «Die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts wird mit dezentraler Energie eher kleiner», schloss er.

Dieselstromaggregat im Spital
Daniel Schafer, Ingenieur und CEO Energie Wasser Bern EWB, Anton Schmid, CEO Regionalspital Emmental AG, Dr. Dieter Reichelt, Leiter Division Netze, Axpo Power AG, Mitglied der Geschäftsleitung, und Chef Kommission OSTRAL (Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen), sowie Gunzinger stellten sich im Anschluss den Fragen von Sonja Hasler. Hier ein Auszug aus den Antworten: Betreffend schlafloser Nacht wegen eines Blackouts meinte Spitaldirektor Schmid: «Wir haben eine Notstromversorgung. Vier bis fünf Tage könnten die Spitäler in Burgdorf und Langnau voll betrieben werden. Dann benötigten wir wieder Diesel.» EWB-CEO Schafer zu Smart Grid: «Das Zusammenspiel mit dezentraler Intelligenz führt wahrscheinlich zu besseren Systemen.» Dr. Dieter Reichelt zu grösseren Stromausfällen: «Unser Ziel dabei wäre, das Netz in ein, zwei Tagen wieder aufzubauen.» Wenn sich eine Mangellage (strenger Winter, Störungen in einem Kraftwerk usw.) abzeichne, würden Sparappelle, Verbrauchseinschränkungen, Anwendungsverbote bis hin zu Abschaltverordnungen erlassen.

Barbara Schwarzwald


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