Umstrittene Unternehmens-Steuerreform III

  30.01.2017 Aktuell, Bildung, Fraubrunnen, Wirtschaft, Gesellschaft, Region, Vereine, Politik

Dass die «Podiumsdiskussion zur Steuerreform – Schub für den Wirtschaftsstandort oder teure Steuergeschenke für Firmen?» auf so grosse Resonanz stossen würde, hätten sich die BDP-Sektionen Fraubrunnen, Grauholz und Untere Emme als Organisatoren im Vorfeld nicht träumen lassen. Gespräche mit Tischnachbarn kurz vor Beginn des Anlasses im Restaurant Brunnen, Fraubrunnen, zeigten, dass man sich noch keineswegs sicher ist, ob ein Ja oder ein Nein am 12. Februar 2017 in die Urne gelegt wird. Von der Gesprächsrunde, bestehend aus den Nationalrätinnen Margret Kiener-Nellen, SP, Bolligen, und Regula Rytz, Grüne, Bern, sowie den Nationalräten Urs Gasche, BDP, Fraubrunnen, und Werner Salzmann, SVP, Mülchi, erhoffte man sich Aufschluss. Als Diskussionsleiter amtete Fabian Schäfer, Redaktor «Berner Zeitung».

Widmer-Schlumpfs Wortmeldung
Völlig überraschend hatte sich Anfang Woche die ehemalige Finanzministerin und alt Bundesrätin Evelyne Widmer-Schlumpf im «Blick» zu Wort gemeldet und sich von der Steuerreform III distanziert. Sie verkündete, das Parlament sei mit den Entlastungen für die Unternehmen zu weit gegangen, die Ausfälle seien zu hoch. «Sie hat mehr oder weniger deutlich gesagt, dass man ja nicht Ja stimmen soll. Herr Gasche, als Parteikollege, können Sie uns sagen, was in Frau Widmer-Schlumpf gefahren ist?», wollte Moderator Fabian Schäfer wissen. Steuerreform-Befürworter Gasche zeigte sich sehr enttäuscht über die Einmischung von Widmer-Schlumpf. Die Vorlage, die von ihr selbst aufgegleist worden war, sei durch das Parlament angepasst worden, und zwar in Zusammenarbeit mit der Finanzdirektorenkonferenz. Wenn die Unternehmen einmal aus der Schweiz weggezogen seien, kämen sie nicht mehr zurück. Bei einer Annahme der USR III könnten im Nachhinein wenn nötig Anpassungen vorgenommen werden. Die Gegnerin der USR III, Margret Kiener-Nellen, entgegnete: «Ds Fueder isch eifach überlade. Meinet dir, d Swatch, d Nestlé, d Rolex zieh wäg?» Und ihre Gesinnungsgenossin Regula Rytz doppelte nach, wer zuerst die Steuern senke, ziehe den ganzen Pulk an internationalen Flatterfirmen an. «Mit dieser Reform, Werner, machst du das Gegenteil von SVP-Politik. Du öffnest damit jedermann die Türen.»
 
Steuerausfälle
«Von zwei bis vier Milliarden Franken Steuerausfällen ist die Rede. Wer bezahlt das?», stellte Schäfer SVP-Nationalrat und Reform-Befürworter Werner Salzmann die wichtige Frage. Wie viele Steuerausfälle anfallen würden, könne nur geschätzt werden, weil nicht in die Bilanzen Einsicht genommen werden könne, entgegnete dieser. Aber noch kein einziger Kanton habe angekündigt, die Steuern deswegen bei den natürlichen Personen zu erhöhen. Der Bund habe von 1,1 Milliarden Franken Ausfallentschädigung gesprochen, die den Kantonen zur Verfügung gestellt würden. «We mir nüt mache, gö die Firme wäg», zeigte auch er sich überzeugt. Seit der Unternehmenssteuerreform II hätten sich die Steuereinnahmen entgegen den düsteren Prognosen vervierfacht. Ein Drittel der Ausgleichszahlungen, die der Kanton vom Bund erhalte, gingen direkt an die Gemeinden. Zudem sei da noch der Finanzausgleich im Kanton Bern. «Wir sind deshalb interessiert daran, dass Kantone wie Zug und Schwyz ihre Steuerkraft behalten, damit sie weiter in den Finanzausgleich einbezahlen.»

Offener Schlagabtausch
Es wurde mit harten Bandagen gekämpft. Die gut vorbereitete Kiener-Nellen – sie wartete unter anderem mit den aktuellen Zahlen der Gemeinde Fraubrunnen auf – musste einiges von Urs Gasche einstecken, wusste sich aber zu wehren. Regula Rytz machte sich wie selbstverständlich die Aussagen von Widmer-Schlumpf zunutze. Und Hans Jürg Steiner, KPMG, der eingangs die USR III erläutert hatte, argumentierte wie Salzmann mit Fakten. Weder der Bund noch die Kantone haben sich diese Steuerreform gewünscht. Sie wurde nötig, weil die ermässigte Besteuerung von Statusgesellschaften international nicht mehr akzeptiert wird. Deshalb wollen sie der Bundesrat und das Parlament abschaffen und neue, international gebräuchliche Massnahmen einführen. Diese sind im Überblick in den «Erläuterungen des Bundesrates» in den Abstimmungsunterlagen auf den Seiten 32 und 33 ersichtlich.

Barbara Schwarzwald


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