«Wichtig ist der Dialog mit den Angehörigen»

  29.11.2013 Aktuell, Fraubrunnen, Gesellschaft

 

Der Tod beschäftigt die Menschen in allen Kulturen seit jeher. Aktuell wird er häufig mit dem Thema Patientenverfügung in Verbindung gesetzt. Seit Januar 2013 ist das neue Kinder- und Erwachsenenschutzgesetz in Kraft. Damit erhalten Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag erstmals eine gesetzliche Verankerung. Für den Seniorenrat Fraubrunnen Grund genug, über Sinn und Zweck des Vorausdenkens und Selberentscheidens zu informieren – mit grossem Erfolg.

Der Singsaal der Schule Fraubrunnen war bis auf den letzten Platz gefüllt, so gross war das Interesse der Seniorinnen und Senioren. Während einige Senioren womöglich schon eine Patientenverfügung bei ihrem Arzt hinterlegt haben, sind andere vielleicht noch völlig unentschlossen. Deutlich feststellbar hingegen war, dass sich alle Anwesenden mit dem Thema auseinandersetzen wollen. Was, wenn ich nach einem Schlaganfall einfach nur noch vor mich hin vegetiere? Will ich das? Wann sollen meine Angehörigen die Maschinen abstellen? Wer soll dies entscheiden? An Fragen mangelte es definitiv nicht an diesem von zwei Fachleuten geleiteten Anlass. Dr. med. Peter Steck brachte es als einer der Referenten rasch auf den Punkt: «Es ist unmöglich, jede Eventualität im Leben zu regeln. Wichtig ist der Dialog mit den Angehörigen, denn auch eine Patientenverfügung ist kein Ersatz für das offene Gespräch», ist er überzeugt. Er stelle häufig fest, dass Eltern gar nicht oder nur partiell mit einzelnen ihrer erwachsenen Kinder über ihre Wünsche im Falle einer Urteilsunfähigkeit reden. Auch wenn eine Patientenverfügung vorhanden sei, habe er bereits erlebt, dass sich die nicht darüber informierten Angehörigen vehement gegen die Inhalte und Wünsche der Patientenverfügung wehrten. Auch Marianne Gandon, pensionierte Pflegefachfrau, berichtete aus ihrer langjährigen Erfahrung von diversen Erlebnissen mit schwierigen Entscheidungsmomenten. «Mit einer Patientenverfügung oder generell mehr Transparenz zwischen den Betroffenen hätten womöglich unschöne Szenen vermieden werden können», sagt auch sie.

 

Lebensqualität steht über allem

Anerkannt ist die Patientenverfügung in der medizinischen Praxis schon seit Längerem. Neu ist die Regelung ihrer Grundzüge im Erwachsenenschutzrecht. Im Voraus kann eine urteilsfähige Person schriftlich festlegen, welche medizinischen Massnahmen sie ablehnt und welchen sie zustimmt, für den Fall, dass sie urteilsunfähig würde. Das alles kann in einer Patientenverfügung schriftlich festgehalten werden. Die Auswahlpalette dazu ist gross, viele Organisationen, darunter beispielsweise das Schweizerische Rote Kreuz, die Krebsliga oder Verbindung Schweizer Ärzte bieten vorgefertigte Verfügungen an. Darunter finden sich detaillierte oder auch weniger ausführliche Versionen für jeden Geschmack. Für Dr. Peter Steck ist klar, dass im Falle einer plötzlichen Urteilsunfähigkeit stets die Lebensqualität über allem steht. Dass der Begriff «Lebensqualität» dabei sehr individuell interpretierbar ist, sei ihm bewusst, aber «eine Bewilligung zum Sterben ist nicht nötig. Auch wenn keine Patientenverfügung vorhanden ist, entscheidet die heutige Medizin im Sinne des Patienten». Der Anlass des Seniorenrats Fraubrunnen klärte einerseits Grundsätzliches, liess andererseits auch Fragen offen, vor allem im persönlichen Bereich. Wenn auch nicht für jede/n Senior/in das Ausfüllen der persönlichen Patientenverfügung die logische Folge dieses Anlasses war, hat das Thema an sich bestimmt bei vielen zum Nachdenken über das Handeln im Hier und Jetzt angeregt.

Cossette Espinoza


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