«Wissenswertes rund um Organspende und Transplantation»

| Di, 02. Sep. 2014

BURGDORF: Der Publikumsvortrag am 4. September 2014 im Spital Emmental beinhaltete «Wissenswertes rund um Organspende und Transplantation».  Es referierten Swisstransplant-CEO Franz Immer (Bild) und drei Spezialärzten des Spitals Emmental. red

Nach der Sommerpause werden die öffentlichen Vorträge im Spital Emmental in Burgdorf fortgesetzt. Übermorgen Donnerstag, 4. September, 19.00 Uhr, lautet das Thema «Wissenswertes rund um Organspende und Transplantation». Referenten sind Privatdozent Dr. med. Franz Immer (CEO Swisstrans­plant) sowie die drei am Spital Emmental tätigen Spezialärzte Dr. med. Brigitte Ulrich, Dr. med. Maja Klein und Dr. med. Ivo Bergmann.

«D’REGION»: Sind Sie oft in Schweizer Spitälern als Referent unterwegs?
Dr. Immer: 2013 hat Swisstransplant erstmals eine gross angelegte Informationskampagne zum Thema Organspende und Transplantation in der Schweiz durchgeführt. Von 120 angeschriebenen Spitälern haben 105 zugesagt – ein riesiger Erfolg. Die Präsenz vor Ort – Vorträge im Publikum und in den Spitälern – sind Bestandteil der Information und werden von mir sehr gerne wahrgenommen.

«D’REGION»: Dr. Immer, wie werden Sie den Abend gestalten?
Dr. Immer: Es geht in erster Linie darum, dem Publikum offen und transparent die Organspende und Transplantation näherzubringen. Noch immer gibt es zu viele Mythen und Unklarheiten bei diesem sehr sensiblen Thema. Wichtig ist, dass die Zuhörer Einblick in dieses Gebiet erhalten, Fragen stellen können und so eine Entscheidung für sich selber treffen können und diese auch ihren nächsten Angehörigen mitteilen. Organspende und Transplantation geht uns alle an und ist bis ins hohe Alter möglich.

«D’REGION»: Können Sie Swisstransplant kurz vorstellen?
Dr. Immer: Swisstransplant wurde vor rund 30 Jahren gegründet. Im Auftrag des Bundes kümmern wir uns um die Führung der Warteliste und die gesetzeskonforme Zuteilung von Organen. Im Auftrag der Kantone, zusammen mit dem Bund, kümmern wir uns um die Verbesserung der Erkennung und Meldung von Spendern und um eine transparente, offene Kommunikation dieses Themas bei Fachleuten in Praxis und Spital. Swisstransplant ist ein Team von rund 30 Personen in Bern und zahlreichen Fachpersonen – lokale Koordinatoren Spenderprozess und Transplantationsexperten – in den Schweizern Spitälern.

«D’REGION»: Welches sind die «Freuden» und «Leiden» bei Swisstransplant?
Dr. Immer: Zu den «Freuden» gehört sicher, dass man nach sechs Jahren bei Swisstransplant feststellen kann, dass man gemeinsam – über Sprachgrenzen hinweg – etwas bewegen kann und so den mittlerweile fast 1300 Menschen auf der Warteliste eine Hoffnung geben kann. Die «Leiden» sind vor allem da zu suchen, wo die Finanzierung zur Sicherstellung der notwendigen Strukturen in den Spitälern fehlt, aber auch einzelne Fachpersonen, die sich der Thematik nicht annehmen wollen. Dies führt dazu, dass die Umsetzung des Wunsches eines Verstorbenen – der zeitlebens Organe spenden wollte – aufgrund mangelnder Kenntnisse oder eigener Interessen nicht weiterverfolgt wird. Hier gilt es, Sicherheit zu schaffen und die notwendigen Kenntnisse schweizweit aufzubauen.

«D’REGION»: Hinsichtlich Spendefreudigkeit von Organen liegt die Schweiz gegenüber der EU zurück. Ihre Erklärung?
Dr. Immer: Es gibt grosse regionale Unterschiede. Die Schweiz hat durchaus grosse Spitäler,  vorwiegend Kantonsspitäler, die Zustimmungsraten von teils über 70 Prozent aufweisen. Es liegt hier vor allem am Vertrauen und der kompetenten, sachlichen Information der Angehörigen durch Fachpersonal. Über die Sprachgrenzen hinweg sind die Schweizer ebenso spendefreudig wie die Menschen im benachbarten Ausland.

«D’REGION»: Mitte Jahr figurierten 1288 Personen auf der Warteliste von Swisstransplant. Warten immer mehr Patienten auf Herz, Leber, Niere, Lunge, Dünndarm oder Bauchspeicheldrüse?
Dr. Immer: Die Zahlen bleiben unverändert hoch. Wir rechnen damit, dass jede Woche zwei bis drei Menschen in der Schweiz sterben, weil das passende Organ nicht rechtzeitig gefunden werden konnte.

«D’REGION»: Dr. Ulrich, welches ist Ihre Aufgabe am Publikumsvortrag?
Dr. Ulrich: Ich werde kein Referat halten, sondern stehe bei der Diskussion für Fragen zur Verfügung.

«D’REGION»: Welches sind Ihre Aufgaben als Transplantationskoordinatorin am Spital Emmental?
Dr. Ulrich: Ich bin hier für die Identifizierung und Betreuung/Behandlung von allfälligen sogenannten Leichenspendern verantwortlich. Da wir aber kaum je solche Patienten haben – sie werden meist direkt ins Zentrumspital eingewiesen – besteht meine Hauptaufgabe im Zusammenhang mit dem Organspendeprozess in der Schulung meiner Ärztekollegen zu diesem Thema. Swisstransplant ist in regionale Zentren aufgeteilt. Dies wird im Vortrag von Dr. med. Immer dargelegt. Ich bin innerhalb des Berner Netzwerkes das Bindeglied zwischen dem Spital Emmental und unserem Transplantations-Zentrumspital, dem Inselspital.

«D’REGION»: Wie sieht bei Ihnen ein «normaler» Arbeitstag aus?
Dr. Ulrich: Wir haben kaum potenzielle Organspender, also Leichenspender. Daher ist das Thema Organspende ein minimaler Teil meiner Arbeit. Ich arbeite vorwiegend als Ärztin auf der Intensivstation. In dieser Tätigkeit betreue ich Patienten der Intensivstation, leite junge Assistenzärzte in dieser Tätigkeit an und habe viele organisatorische sowie administrative Arbeiten im Zusammenhang mit der Leitung der Intensivstation zu erledigen. Daneben arbeite ich in einem kleineren Pensum als Narkoseärztin und führe in dieser Tätigkeit Narkosen durch.

«D’REGION»: In der Schweiz werden in den fünf Universitätsspitälern Genf, Lausanne, Bern, Basel und Zürich sowie im Kantonsspital St. Gallen Organe transplantiert. Wie ist das Spital Emmental involviert?
Dr. Ulrich: Im Spital Emmental werden weder Organe transplantiert noch diese zur Transplantation entnommen. Potenzielle Spender werden ins Inselspital Bern überwiesen. Die Betreuung von Organspendern – vor allem von Leichenspendern – ist sehr komplex und im Spital Emmental weder möglich noch sinnvoll.

«D’REGION»: Dr. Klein, welches sind die Schwerpunkte Ihres Referates?
Dr. Klein: Das Hauptreferat wird Dr. med. Franz Immer halten. Er wird vor allem zum Spenderwesen im Kanton Bern und in der Schweiz Stellung nehmen. Dr. med. Ivo Bergmann und ich sind Nephrologen. Wir betreuen Patienten mit einem Nierenversagen vor und nach der Transplantation. Wir wollen zusammen den Zuhörern wichtige Aspekte der Transplantation vermitteln. Dies einerseits aus Sicht des Spenders, andererseits aus Sicht der kranken Personen, die auf ein Organ warten.

«D’REGION»: Dr. med. Ivo Bergmann und Sie sind Nephrologen. Was kann sich der Laie darunter vorstellen?
Dr. Klein: Wir sind Nierenspezialisten und behandeln Patienten mit Erkrankungen der Nieren und Bluthochdruck, Patienten mit einem Nierenversagen, die eine Blutwäsche – Dialyse – benötigen sowie Patienten vor und nach Nierentransplantationen – eventuell kombiniert mit einer Leber- oder Bauchspeicheldrüsen-Transplantation.

«D’REGION»: Kommen die meisten Patienten via Hausarzt zu Ihnen?
Dr. Klein: Ja, die Patienten werden uns vom Hausarzt oder von anderen Spezialisten zugewiesen.

«D’REGION»: Was wollen Dr. med. Ivo Bergmann und Sie dem Publikum vermitteln?
Dr. Klein: Wir wollen den Zuhörern einen Überblick geben über die Transplantation in der Schweiz und ihnen auch aus Sicht erkrankter Menschen die Vor- und Nachteile der Transplantation näherbringen.

«D’REGION»: Wird am Vortrag auch ein Patient, der eine Spenderniere erhalten hat, über seine Erfahrungen berichten?
Dr. Bergmann: Ja. Am Publikumsvortrag werden auch Patienten anwesend sein, die ein Transplantat erhalten haben und Auskunft geben.

«D’REGION»: Dr. Bergmann, sind Sie und Ihre Arztkollegin Dr. med. Maja Klein im ständigen Kontakt mit der Swissplantant?
Dr. Bergmann: Ja, wir arbeiten eng mit den Transplantationszentren am Inselspital Bern sowie am Universitätsspital Zürich und damit mit Swisstransplant zusammen.

«D’REGION»: Arbeitet das Spital Emmental aus geografischen Gründen primär mit dem Inselspital Bern zusammen?
Dr. Klein: Als Nierenspezialisten arbeiten wir tatsächlich primär mit dem Inselspital zusammen. Das weltweit und daher auch am Inselspital am häufigsten transplantierte Organ ist die Niere. Die herz- und lebertransplantierten Patienten werden hingegen primär am Inselspital betreut.

«D’REGION»: Wie erleben Sie das Warten der Patienten auf eine Spenderniere?
Dr. Bergmann: Das Warten auf eine Spenderniere kann mühsam und langwierig sein. Die Dialysebehandlung ist anstrengend. Sie kann deshalb die Lebensqualität vermindern. Die oft lange Wartezeit auf ein geeignetes Spenderorgan ist ein grosses Problem. Wenn möglich versuchen wir, diese Wartezeit zu umgehen, und suchen für die Patienten einen Lebendnierenspender.

«D’REGION»: Welches sind freudige Erlebnisse in Ihrem Beruf?
Dr. Bergmann und Dr. Klein:  Es ist schön zu erleben, dass wir unseren Patienten helfen können und ihnen eine Heilung oder eine bessere Lebensqualität ermöglichen. Die Medizin ist sehr spannend und in dauerndem Umbruch. Die Arbeit mit Menschen ist sehr abwechslungsreich und erfüllend. Wichtig ist die gute Zusammenarbeit im Team in Burgdorf und auch mit den Kollegen am Inselspital Bern.

Wichtige Infos
Dr. med. Franz Immer betont, dass Organspende bis ins hohe Alter möglich ist. Er empfiehlt die Webseite www.swisstransplant.org und verweist auf die Gratisnummer 0800 570234, wo man zu Bürozeiten Spenderkarten anfordern und Fachpersonen Fragen stellen kann.

Zu den Personen
Privatdozent Dr. med. Franz Immer ist 47-jährig und Facharzt für Herzchirurgie FMH. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt mit seiner Familie in Thun. Frau Dr. med. Brigitte Ulrich ist Fachärztin Intensivmedizin und Anästhesie sowie ärztliche Leiterin der interdisziplinären Intensivstation am Spital Emmental in Burgdorf.
Frau Dr. med. Maja Klein Lüthi ist 45-jährig, verheiratet und hat ein Kind. Sie wohnt in Burgdorf. Am Spital Emmental ist sie Leitende Ärztin Nephrologie. Dr. med. Ivo Bergmann ist 41-jährig und verheiratet. Er hat drei Kinder, wohnt in Burgdorf und ist Leitender Arzt Nephrologie am Spital Emmental.

Hans Mathys

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