Zurück in die Zeit der Propellerflugzeuge

  28.07.2014 Aktuell, Utzenstorf, Gesellschaft, Kaltacker

Ganz in der Nähe des Utzenstorfer Bahnhofs steht ein Gebäude, in dessen Innerem man den intensiven Geruch von Seife wahrnimmt. Durch das Benützen eines grossen Lastenaufzugs gelangt man einen Stock tiefer in tiefe Dunkelheit. Das Licht geht an und man befindet sich in einer Art Tiefgarage mit lauter Kellerabteilen. Matthias Jost würde den Weg zu seinem Keller­abteil wohl auch im Dunkeln finden. Er schliesst die Türe auf und gibt den Blick in den Raum frei. Es bietet sich ein beeindruckender Anblick. Der knapp 40 Quadratmeter grosse Raum erinnert an ein historisches Museum. Auf Regalen, Podesten oder am Boden sind unzählige Zeugen der Schweizer Militärluftfahrtsgeschichte ausgestellt. Anzüge, Uniformen, Helme, Funkhauben, intakte sowie zerbrochene Propeller, zwei Motorenblöcke, Trümmerteile und noch vieles mehr zieren den Boden und die Wände des schmucken Kellerabteils. Matthias Jost ist sichtlich stolz auf seine Sammlung und man fragt sich: Wie kommt man im Alter von 30 Jahren schon zu so einer beeindruckenden Sammlung?

Früh übt sich
Mit 15 Jahren ist Matthias Jost bereits stolzer Besitzer eines Metalldetektors. Die Initialzündung zur Anschaffung dieses nicht ganz billigen Geräts war eine Fernsehsendung. Diese porträtierte einen Mann, welcher mithilfe eines Metalldetektors Absturzstellen von Flugzeugen nach Trümmerteilen absuchte. Für den damals 13-jährigen Matthias war klar: Das will ich auch machen! Zwei Jahre später war endlich genug Geld zusammengespart und das grosse Suchen und Sammeln konnte beginnen.

Besonders fasziniert ist Matthias Jost von den Propellerflugzeugen, welche während des Ersten und Zweiten Weltkriegs entwickelt, gebaut und im Einsatz waren. Im Schweizerischen Bundesarchiv sind alle Absturzstellen von Militärflugzeugen mitsamt Koordinaten festgehalten. So auch der Absturz eines Schweizer Jagdflugzeugs vom 9. Mai 1947. Der Absturz ereignete sich über dem Lötschental während dem Üben eines Höhenflugs. Mithilfe von Sauerstoffmasken drangen die Piloten von damals in sauerstoffarme Höhen vor. Grund für den Absturz des Flugzeugs war der Sauerstoffmangel des Piloten. Seit neun Jahren sucht Jost fast jeden Sommer den schmelzenden Langgletscher im Lötschental nach Trümmerteilen ab. Das Schmelzen des Eises ist ein Segen für ihn, da dadurch immer neue Wrackteile vom Eis freigegeben werden. Vor einigen Jahren machte er dann in einer Gletscherspalte seinen bisher grössten Fund: der 500 Kilogramm schwere Motorblock des Jagdflugzeugs, welches am 9. Mai 1947 abgestürzt ist. Per Helikopter erhob sich der Motorblock ein letztes Mal in die Lüfte, bevor er nun das Kellerabteil in Utzenstorf ziert.

Absturz in Heimiswil
Nicht nur im Lötschental ging Jost auf Trümmersuche, sondern auch ganz in der Nähe, nämlich in Heimiswil. 1946 stürzte dort ebenfalls ein Schweizer Militärflugzeug ab. Der Pilot konnte sich dank Schleudersitz und Fallschirm retten. Jost fand am Absturzort unter anderem ein Schild, auf welchem die Immatrikulationsnummer, ähnlich wie die Autonummer bei einem Auto, des Fliegers zu lesen war. Jost nahm Kontakt zu dem damals abgestürzten Piloten auf und sie wurden über die Jahre hinweg Freunde. So besuchten sie zusammen sogar einmal die Absturzstelle von 1946 und besprachen die damaligen Ereignisse.

Nicht nur selbstgefundene Trümmerteile
Das Kellerabteil von Matthias Jost bietet jedoch noch weit mehr als nur Wrackteile von abgestürzten Flugzeugen. Durch sein enormes Interesse für Flugzeuge und ihre Piloten lernte Matthias schon früh aktive und ehemalige Piloten kennen. Diese erzählten dem jungen, interessierten Mann ihre Geschichten und nicht selten ging er mit einem kleinen oder grösseren Geschenk nach Hause. So kam es, dass er über die Jahre hinweg Dutzende von Helmen, Anzügen und Uniformen anhäufte. Mit jedem dieser Stücke verbindet er Geschichten, Namen und die Gesichter der Piloten.

Mit den Jahren lernte er auch verschiedene andere, zum Teil bedeutend ältere Sammler kennen und freundete sich mit ihnen an. Nachmittage lang durchstöberte er deren Sammlungen und staunte über die Vielzahl von Gegenständen und Dokumenten, welche dort zu finden waren. Eine dieser Sammlungen durfte er erben, andere Sammler beschenkten ihn und mit wieder anderen führte er einen regen Tauschhandel. «Ich hatte oftmals einfach nur Schwein», so versucht Jost seine grosse Sammlung zu erklären.

Das Sammeln und die Fliegerei liegen in der Familie
Das Interesse für Flugzeuge wurde bei Matthias Jost durch seinen Vater, welcher in jungen Jahren ein begeisterter Modellflieger war, geweckt. So kam er schon früh mit kleinen, aber nicht weniger faszinierenden Flugzeugen in Kontakt. Das Sammeln von historischen Transportmitteln habe er wohl von seinem Grossvater mütterlicherseits, meint Jost. Dieser eignete sich über die Jahre eine Sammlung von Oldtimern an.

Wie jedem Sammler fehlen auch Matthias Jost noch einige Gegenstände, welche er gerne in seiner Sammlung hätte. So zum Beispiel eine Sauerstoffmaske, welche zu einer seiner Lederhauben, den Vorgängern der Helme, passen würde. Diese Sauerstoffmasken sind jedoch heutzutage sehr selten und teuer. Allerdings würde der Reiz des Sammelns verloren gehen, wenn man alles hätte, was man will, meint Jost.

Ein letzter Blick zurück, die Türe schliesst sich, die Lichter erlöschen, der Lift rattert und schon ist man wieder dem Tageslicht ausgesetzt. Es dauert einen Augenblick, bis man sich wieder an diese moderne und grelle Welt gewöhnt hat, aber die Reise zurück in die Zeit der Propellerflugzeuge hat sich gelohnt!

Felix Glauser


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