Ex-Thorberg-Direktor Hans Zoss im Interview

| So, 20. Jul. 2014

KRAUCHTHAL: Hans Zoss (Bild) sprach über die Anstalten Thorberg und wie er sie zu seiner Zeit als Direktor erlebte. Als Vorgänger von Georges Caccivio ist er erstaunt über einige der abwertenden Feststellungen im Untersuchungsbericht. red

«D’REGION»: Wie haben Sie – entgegen dem Untersuchungsbericht – die Zustände auf Thorberg während Ihrer 17 Jahre als Direktor beurteilt?
Hans Zoss: Bei meinem Amtsantritt am 1. November 1994 bestanden die Anstalten Thorberg aus einem einzigen Vollzugsregime. Mit dem Errichten des Neubaus konnte das Vollzugsangebot differenziert werden: Bis Juli 2011 betrieb der Thorberg folgende Abteilungen: Normalvollzug, Logistikabteilung (Insassen, die in der Logistik wie zum Beispiel in der Küche arbeiteten), Integrationsabteilung (Abteilung für psychisch schwache und auffällige Insassen), Sicherheitsabteilung 2 (Gruppenvollzug), Hochsicherheitsabteilung (strikte Einzelhaft). Im Juli 2011 wurde die Therapieabteilung für nach Art. 59 StGB Verurteilte eröffnet. Thorberg hat sich so über die Jahre zu einer Anstalt gewandelt, die auf die neuen Bedürfnisse bezüglich der Gefangenen und die Sicherheitsbedürfnisse der Gesellschaft adäquat reagieren konnte und kann. Vor 25 Jahren hat es diese Differenzierung noch nicht gegeben.Mit dem Aufbau des Forensisch-Psychiatrischen Dienstes Bern (FPD) unter der Leitung von Frau Prof. A. Ermer konnte die psychiatrische Versorgung in den Anstalten Thorberg ausgebaut und professionalisiert werden. Die enge Zusammenarbeit mit dem FPD machte den Betrieb der Therapieabteilung erst möglich.

Im Verlauf der 17 Jahre wurde zuerst die Landwirtschaft verkleinert (1997), und als letztes Projekt, das ich in Angriff nahm, erfolgte die komplette Schliessung der Landwirtschaft (Sommer 2011). Die Anstalten Thorberg waren eine der Pilotanstalten für das Projekt Bildung im Strafvollzug (BiST). Thorberg war auch die Pilot- und Testanstalt beim Aufbau des für BiST eingerichteten Servers. Alles wurde zuerst auf Thorberg getestet, bevor es in allen anderen Anstalten zur Anwendung kam. Das Personal war engagiert und ausserordentlich leistungsbereit, die Stimmung war aus meiner Sicht gut.

Das Regelwerk hat vorgelegen (Gesetze, Verordnungen, Reglemente der POM, des Amts FB und des Thorberg, Leistungsvereinbarung, Hausordnung, Merkblätter, Handbuch für Personal, Handbuch für den Sozialdienst, Handbuch Gesundheitsdienst, Konzept Therapieabteilung, Konzept Bildungsverantwortlicher, konkordatliche Richtlinien).

Thorberg hat die konkordatlichen Standards für den geschlossenen Vollzug bezüglich Personalschlüssel nicht erfüllt, was sowohl dem Amtsleiter als auch dem Direktor POM bekannt war. Wegen des permanenten Personalmangels haben wir 2005 die Direktion verkleinert, damit an der Schnittstelle zwischen Anstalt und Insassen etwas mehr Personal vorhanden war. Ich habe Thorberg in den 17 Jahren als lernende Institution erlebt, die bereit war, auf neue Herausforderungen zu reagieren und sich dementsprechend zu verändern. Sie ist nicht vor 25 Jahren stehen geblieben. Die Anstalten Thorberg hatten während der 17 Jahre keine nennenswerten Zwischenfälle, welche die öffentliche Sicherheit gefährdet hätten. Dies wird im Bericht leider nicht erwähnt.

«D’REGION»: Was sagen Sie zu den im Untersuchungsbericht vorgeschlagenen Änderungen?
Hans Zoss: Was das Organigramm betrifft, so zielt das in die richtige Richtung. Voraussetzung, dass es so umgesetzt werden kann, sind jedoch die entsprechenden Stellen. Ob der Kanton Bern, der sich permanent im «Sparmodus» befindet, diese Stellen bewilligen wird, bleibt fraglich. Ohne zusätzliche Stellen sind diese Vorschläge jedoch nicht umsetzbar. Es darf nicht sein, dass die Direktion ausgebaut und an der Schnittstelle zwischen Anstalt und Insassen Stellen abgebaut werden. Dort, wo mit den gefangenen Menschen gearbeitet wird, braucht es die meisten Stellen. Es ist jedoch anzumerken, dass es immer sowohl eine Direktion wie eine Geschäftsleitung gegeben hat – was im Organigramm möglicherweise nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist –, entgegen den Aussagen im Untersuchungsbericht (S. 12). Die Mängel, die der Untersuchungsbericht auflistet, sind Folgen des Personalmangels. Thorberg war stets bemüht, den Auftrag mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen zu bewältigen. Eine flache Hierarchie war dazu die beste Lösung. Die Umsetzung der im Untersuchungsbericht gemachten Vorschläge steht und fällt mit den Ressourcen, die zusätzlich zu den bestehenden geschaffen und vom Kanton bewilligt werden müssen. Sie wird nicht daran scheitern, wie im Untersuchungsbericht geschrieben wird: «Eine solche Unternehmensentwicklung wird jedoch nicht nur auf offene Armen und Ohren fallen, sondern sicherlich auf ‹Emmentalisches Beharrungsvermögen›, insbesondere seitens der Spartenleiter stossen» (Untersuchungsbericht S. 14). Ich empfinde diese Äusserung gegenüber den Spartenleitern als entwürdigend.

«D’REGION»: Hätten Sie bei der Einarbeitung von Herrn Caccivio in der Zeit vom 1. bis 31.10.2011 gedacht, dass es sich um ein so kurzes Gastspiel handeln würde?
Hans Zoss: Nein, Georges Caccivio zeigte sich stets sehr interessiert, den Betrieb im Detail kennenzulernen. Er wollte bei vielen Dingen wissen, wie ich es gemacht habe, und schien von meinen Erfahrungen profitieren zu wollen.

«D’REGION»: Haben Sie in der folgenden Zeit ab 1.11.2011, aus welchen Quellen auch immer, irgendetwas über die Abläufe auf dem Thorberg gehört?
Hans Zoss: Ich war seit meiner Pensionierung nur zwei Mal auf Thorberg, am 27. Juli 2012 abends zur Vorpremiere des Films «Thorberg» und im Januar 2013, um Statuten einer Genossenschaft drucken zu lassen. Einige wenige Male habe ich auf der Strasse ehemalige Mitarbeitende getroffen, die mir unaufgefordert nur weniges erzählt haben. Vor allem habe ich gehört, dass es halt nicht mehr so sei wie zu meiner Zeit. Aber konkrete Klagen über meinen Nachfolger habe ich nicht zu hören bekommen.

«D’REGION»: Gibt es weitere Bemerkungen und Feststellungen anzubringen?
Hans Zoss: Im Untersuchungsbericht wird der Umgang mit den Insassen, welche gemäss Art. 59 StGB verurteilt sind, bemängelt. Der Umgang mit diesen Insassen ist im Konzept der Therapieabteilung geregelt. Es fanden bezüglich dieser Gefangenen regelmässig Vollzugssitzungen und Besprechungen statt, welche auch protokolliert wurden. Leider wird das Konzept der Therapieabteilung im Untersuchungsbericht nicht erwähnt. Ob es Benjamin Brägger vorgelegen hat oder nicht, weiss ich nicht. Bezüglich meines Nachfolgers werden nur die Punkte erwähnt, die Hermann Weyeneth genannt hat. Über seine tägliche Führungsarbeit wird kaum etwas ausgesagt. Der Bericht lässt so, wie er vorliegt, auch den Schluss zu, dass bereits zu meiner Zeit sehr vieles im Argen gelegen habe. Sollte diese Schlussfolgerung aus diesem Bericht gezogen werden, weise ich sie zurück und erwähne, dass ich während 17 Jahren jeweils bestens qualifiziert worden bin.

Gerti Binz

 

 

Rückkehr kaum möglich
Wie kürzlich bekannt wurde, möchte der freigestellte Ex-Direktor Georges Caccivio seine Arbeit auf dem Thorberg wieder aufnehmen. Es war die Rede davon, dass Caccivio infolge eines Arztzeugnisses noch nicht gekündigt werden könne. Plötzlich meldet sich dieser via Medien zurück und erklärt, er sei wieder voll arbeitsfähig und beabsichtige, erneut die Leitung der Strafanstalten in Krauchthal zu übernehmen.

Diesbezüglich hat sich Regierungsrat Hans-Jürg Käser als Kantonaler Polizeidirektor völlig anders geäussert. Durch die über Jahre andauernden Besuche Caccivios im Bieler Drogenstrich habe dieser das Arbeitsklima und das für die Anstaltsführung nötige Vertrauensverhältnis gestört. Laut Bernischem Personalgesetz ist dies ein Grund zur Kündigung. Dazu kommt noch die «verschwundene Aktenseite» im Eintrittsdossier eines neuen Gefängnisinsassen, durch welche Caccivios Bordellbesuche, die er vor der Übernahme der Thorberg-Leitung tätigte, aktenkundig geworden sind. Diese Seite wurde auf dem Thorberg entfernt, um eine zufällige Bekanntmachung dieser Prostituiertenbesuche zu verheimlichen.

Es ist anzunehmen, dass die Frage rund um die rechtmässige Kündigung Caccivios in nächster Zeit Juristenfutter geben wird.

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